Interview von Jean Asselborn mit dem Tageblatt

"Keine Alternative zur 2-Staaten-Lösung"

Interview: Tageblatt (Dhiraj Sabharwal)

Tageblatt: Welche Rolle hat die gestrige Nahostkonferenz in Paris gespielt?

Jean Asselborn: So viel vorweg: Dieses Jahr ist mit Blick auf den Nahostkonflikt von größter symbolischer Bedeutung. Die Besetzung des Westjordanlands jährt sich 2017 zum 50. Mal. Es ist der 25. Geburtstag der Madrider Konferenz und die Trennung zwischen Gaza und dem Westjordanland wird zehn Jahre alt. Insofern hat der Nahostkonflikt nichts von seiner politisch zentralen Position verloren, obschon es momentan in der Region eine Vielzahl von schlimmen Krisen gibt. Man sollte die strategischen und vor allem emotionalen Komponenten dieses Konfliktes nicht unterschätzen.

Tageblatt: Er wird immer wieder zu einem vergessenen Konflikt. Ist eine Befriedung des Nahen Ostens so möglich?

Jean Asselborn: Ich glaube, dass jene, die glauben, sie könnten den Nahen Osten stabilisieren, ohne den ältesten Konflikt der Region zu lösen, in Illusionen leben. Wenn der Nahostkonflikt weiterhin Bestand hat, wird die Abwärtsspirale aus Terrorismus, Radikalisierung und Hass nur noch weiter rund um den Globus verstärkt.

Tageblatt: Dennoch verbessert sich die Situation nicht, im Gegenteil. Es wird von Jahr zu Jahr schlimmer...

Jean Asselborn: Das stimmt. Die Situation in Ost-Jerusalem, im Westjordanland und in Gaza verschlimmert sich zunehmend. Zahlreiche Faktoren sind dafür verantwortlich: Die Anzahl der Siedler, der Beschlagnahmungen und der Zerstörungen steigt. Diese Entwicklung bedroht die Zwei-Staaten-Lösung. Israel muss sich entscheiden: Entweder die Kolonien oder die Zwei-Staaten-Lösung. Beides zusammen ist unmöglich.

Tageblatt: President-Elect Donald Trump scheint derweil kein Interesse an einer fairen Lösung des Konflikts zu haben. Was halten Sie von seinen Ankündigungen?

Jean Asselborn: Besonders die Ankündigung, die US-Botschaft nach Jerusalem verlegen zu wollen, lässt das Schlimmste von der neuen Trump-Administration erwarten. Es lässt an der Bereitschaft zweifeln, an der Zwei-Staaten-Lösung festhalten zu wollen, obschon diese die einzig gerechte ist. Ich hoffe wirklich, dass die Situation nach Trumps Amtsübernahme am 20. Januar eine andere sein wird.

Tageblatt: Resolution 2334 des UN-Sicherheitsrats Ist eindeutig. Wie stark ist die Zwei-Staaten-Lösung Ihrer Meinung nach gefährdet?

Jean Asselborn: Ich freue mich zunächst, dass es das erste Mal ist, dass sich der UN-Sicherheitsrat derart deutlich ausgedrückt hat. Die Resolution stellt jedoch nur das Offensichtliche fest. Solange Israel seine Kolonialpolitik so weitertreibt, ist der Aufbau eines palästinensischen Staates immer unwahrscheinlicher. Die Chancen für einen unabhängigen und funktionierenden palästinensischen Staat schwinden unter dieser Politik immer stärker. Umso mehr verurteile ich es, dass Israel die Vereinten Nationen als ganze Organisation verurteilt hat, obschon der Sicherheitsrat nur seine Rolle wahrgenommen hat.

Tageblatt: Was halten Sie von der französischen Friedensinitiative?

Jean Asselborn: Ich unterstütze sie voll und ganz. Allerdings sind die politischen Schwierigkeiten, um sie zu überwinden, riesig. Dennoch: Es gibt keine Alternative zur Zwei-Staaten-Lösung. Sie ist der Schlüssel zu einem dauerhaften Frieden zwischen Israel und Palästinensern. Die Israelis haben ein Anrecht auf ein Leben Frieden, genauso wie die Palästinenser in Würde selbstbestimmt leben dürfen.

Tageblatt: Dennoch bleibt die Situation verfahren. Sind unter diesen Umständen überhaupt Lösungen in Sicht?

Jean Asselborn: Solange Israel nicht von der Wichtigkeit eines Friedensabkommens überzeugt ist, bewegt sich nicht. Dabei ist dieses die einzige Garantie für seine eigene Sicherheit.

Tageblatt: Dazu brauchte es aber wieder ernst zu nehmende Friedensverhandlungen.

Jean Asselborn: Ich bin der festen Überzeugung, dass wir insgesamt ein neues Verhandlungsformat benötigen. Der Kreis muss vergrößert werden. Europäische und arabische Staaten müssen mit am Verhandlungstisch sitzen. Die Voraussetzung hierfür ist jedoch die Unterstützung von Mahmud Abbas, damit die Palästinensische Autonomiebehörde in Gaza wieder Fuß fasst.

Tageblatt: Gaza bleibt ein zentrales Problem. Es gleicht mittlerweile einem Freiluftgefängnis.

Jean Asselborn: Ja, die Blockade von Gaza muss beendet werden. Nur so können die Lebensbedingungen der Bewohner von Gaza grundlegend verbessert werden. Die Zeit drängt.

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