Interview de Jean Asselborn avec l'ARD

"Wir können nicht akzeptieren, dass die Solidarität in der Europäischen Union abhandenkommt"

Interview: ARD Europamagazin

ARD Europamagazin: Wäre es nicht ehrlicher, will ich wissen, einige Flaggen hier wieder herauszuziehen, hier ist die österreichische, die bauen, ziehen gerade Grenzen, dahinten ist die ungarische?

Jean Asselborn: Sie haben ganz recht im Prinzip. Es gibt, glaube ich, einige Länder in Schengen, wo die Fahnen könnten auf Dreiviertelmast hängen, oder müssten, denn sie haben Probleme auf Augenhöhe der Werte der Europäischen Union zu sein.

ARD Europamagazin: Es ist nicht nur das. Wenn Europa heute als gefährdetes Gebilde gilt, dann auch deshalb weil Europas Politiker sich daran gewöhnt haben Vereinbarungen zu treffen an die sie sich dann nicht halten wollen. Mit Traditionen wird dann argumentiert, oder mit nationaler Souveränität.

Jean Asselborn: Was mich sehr trifft, ist, dass es Länder gibt in der Europäischen Union, Staaten die zu Europa gehören, die sagen, wir haben keine Tradition Migranten aufzunehmen. Ja, wir haben auch keine Tradition gehabt in Europa, dass die Reicheren den Ärmeren helfen, dass wir Kohäsionsfonds schaffen, dass wir Strukturfonds schaffen, das war auch keine Tradition in Europa.

ARD Europamagazin: Es gab einmal eine Zeit, da haben in diesem Europa Menschen begeistert die Schlagbäume weggerissen. Heute ist wo immer ein Referendum über europäische Fragen stattfindet, wird Europa gewissermassen der Stinkefinger gezeigt.

Jean Asselborn: Wenn wir zulassen, dass wir in einer Gemeinschaft von 28 Ländern, dass jeder in europäischen Fragen, ich rede jetzt nicht über nationale Fragen, da macht jeder was er will, aber in europäischen Fragen mit einem Referendum operiert, dann wird Europa sterben.

Der Herr Orban in Ungarn macht jetzt ein Referendum, und sagt, in Ungarn darf kein Migrant in unser Land kommen. Und er wird dieses Referendum gewinnen. Wenn Ungarn das macht, dann machen vielleicht auch andere das, und dann können wir die Charta der Menschenrechte in der Europäischen Union auf die Müllhalde schmeissen.

ARD Europamagazin: Wenn Sie sich die Politik der letzten 10 Jahre ankucken. Wenn es so weiter geht, wie wird sich Europa dann weiterentwickeln?

Jean Asselborn: Wenn es so weiter geht, unabhängig von der Wahl in Grossbritannien, wird es, glaube ich, zur Gretchenfrage kommen, und die Länder die ja sagen, die werden sich zusammentun zu einem Kerneuropa, andere die diese Geschwindigkeit nicht mitmachen wollen, werden auch, glaube ich, dann in den Entscheidungsprozessen einen anderen Stellenwert einnehmen müssen.

Wir können nicht akzeptieren, dass die Solidarität in der Europäischen Union abhandenkommt. Und diese Frage hat dann jedes Land sich auch mit ja oder nein zu beantworten.

ARD Europamagazin: Also, ich verstehe Sie richtig. Unter Umständen könnte es in Ihren Augen erforderlich sein, dass Europa sich auch wieder von Staaten trennt, die heute Mitglied sind?

Jean Asselborn: Die Wahl wird sein, entweder schleppt Europa sich in Zukunft irgendwie in einer gewissen Lethargie oder Gleichgültigkeit, oder kommt eine neue Dynamik auf, und dann hat jedes Land seine Wahl zu treffen.

Und wenn ein Land sagt, wir brauchen kein Schengen, wir brauchen keinen Euro, wir brauchen keine Freizügigkeit, wir brauchen keine Solidarität, wir brauchen keine Strukturfonds und Kohäsionsfonds, ja dann sind wir an dem Punkt, was wir ja auch in Europa haben, dass Länder, sagen wir einmal, angeschlossene Anstalten sein könnten.

 

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