Interview mit Jean Asselborn (Deutsche Welle, DW - Sven Pöhle)

Wir sollten all unsere Mühen in die Diplomatie setzen

Sven Pöhle : Wir sprechen jetzt mit dem Außenminister von Luxemburg, Jean Asselborn. Herr Asselborn, es gibt ziemlich fundierte Meldungen auf dem deutschen Online-Portal des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“, dass russische Bodentruppen bereits seit einiger Zeit in Syrien aktiv mitkämpfen. Können Sie das bestätigen?

Jean Asselborn: Nein. Man hört das eine, man hört das andere. Ich habe gelesen, was Premierminister Medwedew gesagt hat, dass man gut aufpassen muss keinen dritten Weltkrieg zu entzünden mit Bodentruppen. Ich habe gehört, dass die Saudis bereit wären Bodentruppen zu schicken. Ich glaube, wir sollten uns ganz stark fokussieren jetzt auf das was Sache ist, was beschlossen wurde im Sicherheitsrat in New York, was bestätigt wurde in dieser Nacht. All unsere mühe in die Diplomatie setzen, damit kein einziger Mensch mehr stirbt, weder in Aleppo noch in der Gegend von Aleppo. Es wird kein Frieden werden, aber es kann jetzt, und es müsste jetzt wirklich zu einem Waffenstillstand kommen.

Sven Pöhle: Ich darf - wenn ich das so ein bisschen sagen darf - Sie als alten Haudegen bezeichnen. Sie sind der dienstälteste Außenminister der Europäischen Union. Sie sind ganz lang im Geschäft, kennen viele Verhandlungen. Wenn Sie das jetzt beobachten, wie optimistisch sind Sie denn, dass das was jetzt vereinbart wurde, letzte Nacht, tatsächlich auch passiert?

Jean Asselborn: Ja wir müssen aufpassen. Also, es ist ja so, dass die internationale Gemeinschaft mit Russland und mit den Amerikanern, mit dem Iran, mit Saudi-Arabien, diese zwei Wiener Runden gedreht haben, dass man dann nach New York gegangen ist, dass man den Sicherheitsrat, was ja nicht irgendein Gremium ist, dass man hier ganz klar eine Aussage gemacht hat. Und genau nach diesem Votum fing es ja an in Aleppo Bomben zu hageln. Undiskriminiert wurde bombardiert auf Hilfsconvois, 17 Spitäler sind zerschlagen, es sind zehntausende Menschen in die Flucht getrieben worden. Das war. Jetzt glaube ich, vor dieser Dramaturgie, vor dieser wirklichen großen Gewalt die angewendet wird, dieses Manko von Menschlichkeit, hat man glücklicherweise trotzdem jedenfalls versucht in der Nacht die Notbremse zu ziehen. Ich glaube daran, dass jeder Mensch, der politisch und international engagiert ist, sein Bestes geben kann. Und die die da in der Verantwortung sind, es auch machen müssen, damit, wie ich gesagt habe, eine Waffenruhe kommt. Dass dann danach die UNO – de Mistura – es fertigbringt, in 18 Monaten mit der internationalen Gemeinschaft Wahlen zu organisieren, damit ein Neustart in Syrien möglich ist. Alle Menschen in Aleppo, und ich glaube alle sogar in Syrien, schauen heute, wie Sie richtig sagen, auf München und hoffen, dass diese Schlacht aufhört und diese Unmenschlichkeit ein Ende bekommt.

Sven Pöhle: Wenn ich jetzt auf den Krieg schaue in Syrien, 5 Jahre hat er bis jetzt gedauert. Es gibt über 400.000 Tote. Irgendwann hat die UN aufgehört zu zählen. Es gibt Millionen Flüchtlinge. Sie haben das erwähnt. Warum hat das so lange gedauert, bis jetzt, vielleicht, hoffentlich so etwas wie ein Frieden kommen kann?

Jean Asselborn: Sie müssen sich erinnern, das fing ja an mit Protesten in 2011. Es hat sich dann gesteigert im Sommer 2013. Erinnern Sie sich an die chemischen Waffen. Heute sind wir so nahe an einem, ich sage nicht noch einmal Frieden, aber an einem Waffenstillstand. Und diese Chance dürfen wir nicht vergehen lassen. Warum hat es so lange gedauert? Ich glaube auch, dass, wir müssen das einsehen, weder in Europa noch glaube ich außerhalb der arabischen Welt, gibt es einen Knopf auf den man drücken kann, damit Frieden wird in Syrien. Es wurde, glaube ich, von vielen Seiten zu lange gezögert. Es sind die 4 Hauptbeteiligten, die Amerikaner, die Russen, aber auch selbstverständlich die Saudis und die Iraner. Es ist ein Stellvertreterkrieg auf Kosten von Millionen von Menschen. Und eigentlich ist es eine Schlacht, wenn ich so sagen darf, die dem 21. Jahrhundert unwürdig ist, die der UNO unwürdig ist. Der Sicherheitsrat hat komplett versagt, während Jahren. Wir haben es fertiggebracht die humanitäre Lage ein wenig zu verbessern. Aber das Resultat haben Sie in den letzten Tagen gesehen. Ich glaube, dass der Groschen endlich fallen muss, damit alle das tun, was sie, glaube ich auch als Mission, als Aufgabe, wenn man international engagiert ist, als Aufgabe haben, nämlich jetzt die Waffenruhe herzustellen und dann zu schauen, dass man wirklich dieses Land wieder auf eine andere Spur, auf eine andere Schiene bringen kann.

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