Interview de Jean Asselborn avec le Lëtzebuerger Journal

"(...)Weglaufen war für mich nie eine Option(...)"

Interview: Lëtzebuerger Journal (Pascal Steinwachs)

Lëtzebuerger Journal: Herr Asselborn, zum Auftakt eine persönliche Frage, die insbesondere die Luxemburger interessieren dürfte. Da in den vergangenen Tage von verschiedenen Seiten immer mal wieder darüber spekuliert wurde, sie seien amtsmüde und würden sich nach der "Presidence" zurückziehen, wollen wir natürlich wissen, ob an diesen Gerüchten was dran ist?

Jean Asselborn: Nein! Weglaufen war für mich nie eine Option nicht in der Schule, nicht im Beruf und auch nicht in der Politik. Ich fühle mich solidarisch mit dieser Regierung, und ich gebe mein Bestes für diese Koalition. Die ganzen Gerüchte über eine angebliche Demission meinerseits rühren ja sowieso nur vom Referendum her, wo eine der drei Fragen sich um eine Begrenzung der Mandatsdauer eines Regierungsmitglieds auf maximal zehn Jahre drehte. Durch diese Frage stand ich plötzlich im Mittelpunkt, ohne das zu wollen...

Lëtzebuerger Journal: Apropos. Sie sind jetzt schon so lange dabei und sind inzwischen der beliebteste Politiker des Landes. Tut das gut?

Jean Asselborn: Umfragen sind Umfragen, aber irgendwie spürt man ja, wenn die Leute der Meinung sind, dass man seine Arbeit gut macht. Ich bringe jedenfalls meine ganze Energie und Erfahrung, die ich während der zweijährigen Mitgliedschaft unseres Landes als als nicht -ständiges Mitglied des UN- Sicherheitsrates und während der luxemburgischen "Présidence" sammeln konnte, in die Regierungsarbeit mit ein. Außenpolitik basiert übrigens zu einem Großteil auf persönlichen Beziehungen, ob das jetzt große oder kleine Staaten sind, wobei die anderen Länder sich freuten, dass sie während dem luxemburgischen EU-Ratsvorsitz auf erfahrene Leute zurückgreifen konnten.

Lëtzebuerger Journal: Dass sie nicht amtsmüde sind, haben wir verstanden. Wie sieht es dann für 2018 aus, gehen sie noch einmal mit in die Parlamentswahlen?

Jean Asselborn: Wenn man Minister und auch bis zum Schluss dabei ist, dann hat man sich auch bei den Wahlen noch einmal zu stellen.

Lëtzebuerger Journal: Eine deutliche Antwort...

Jean Asselborn: Ja.

Lëtzebuerger Journal: Wie viele Flugmeilen haben Sie eigentlich während den vergangenen sechs Monaten angesammelt?

Jean Asselborn: Ich weiß es nicht, aber ich habe, wie andere ausgerechnet haben, anscheinend seit Beginn der "Presidence" vier Mal die Welt umrundet. Im Gegensatz zu anderen Ländern, wo die Außenminister auf Regierungsmaschinen mit wechselnden Crews zurückgreifen können, muss Luxemburg auf normale Flugzeuge setzen, was zumeist dann auch das Aufreibendste an der ganzen Geschichte ist, nämlich wie man so eine Reise logistisch über die Bühne bekommt. Vor kurzem wurde ich zum Beispiel nicht mehr in ein Flugzeug der Lufthansa gelassen, um zu einer wichtigen Konferenz nach Belgrad zu fliegen, nur weil ich spät am Brüsseler Flughafen eintraf. Andere Länder haben diese Probleme nicht. Auch hatte ich seit September kein einziges freies Wochenende, wo ich zwei Tage am Stück zu Hause gewesen wäre.

Lëtzebuerger Journal: Da müssen Sie sich umso mehr gefreut haben, mit EU-Kommissionschef Juncker wenigstens in Brüssel auf einen Landsmann und langjährigen Weggefährten gestoßen zu sein.

Jean Asselborn: Wenn ein Luxemburger Präsident der Kommission ist, und es ist ebenfalls ein Luxemburger, der den EU-Ratspräsident innehat, dann ist das schon von Vorteil, kann so doch vieles über den privaten Kanal geregelt werden.

Lëtzebuerger Journal: Wir kommen nicht umhin, auch inhaltlich auf die "Presidence" zu sprechen zu kommen. Eine persönliche Bilanz...

Jean Asselborn: ... bei der ich als erstes den wohl schwierigsten Moment unserer Ratspräsidentschaft nennen muss. Nämlich den Widerstand osteuropäischer Staaten gegen die mit qualifizierter Mehrheit gefällten Entscheidung zur Verteilung von 160.000 Flüchtlingen, wo es um das Prinzip der Solidarität ging. Und hätten wir im September schon die die heutige Rechtsregierung in Polen gehabt hätten, dann hätten wir in der EU nicht einmal eine qualifizierte Mehrheit erreicht. Negativ beeinflusst wurde unser Ratsvorsitz auch Ende Oktober beim Sondertreffen einiger EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel, auf dem über Maßnahmen zur Beseitigung des Flüchtlingschaos auf der Balkanroute diskutiert wurde, der ungarische Premier aber einfach behauptete, kein Problem mehr mit Flüchtlingen zu haben und stattdessen einfach Zäune aus Stacheldraht erreichten ließ. In verschiedenen Ländern hat man momentan sowieso nur noch eine Chance, die Wahlen zu gewinnen, wenn man so viel wie möglich gegen Europa wettert. Daran kann Europa kaputt gehen.

Lëtzebuerger Journal: Und ihre positivsten Erinnerungen an die "Presidence"?

Jean Asselborn: Man sollte sich nicht selbst auf die Schulter klopfen, aber "e gudde Match" gemacht hat unser Land unter anderem was den Weltklimagipfel anbelangt, bei der Richtlinie zur Speicherung von EU-Fluggastdaten, bei der politischen Einigung über den Vorschlag für eine interinstitutionelle Verefribarung zur "Besseren Rechtsetzung" sowie in der Finanzpolitik, wo Luxemburg für mehr Klarheit sorgte, so auch bei den Tax Rulings.

Lëtzebuerger Journal: Eine letzte Frage, dann können Sie wieder ihre Batterien aufladen. Was sind ihre persönlichen Vorsätze für das anstehende Jahr?

Jean Asselborn: (lacht) Nach dem Stress der letzten Monate muss ich erst einmal runterkommen und einige Tage abschalten. Dann fängt alles wieder von vorne an. Den "Bagage", den man im Laufe der Jahre erworben hat, sollte jedenfalls im Interesse des Landes angewendet werden.

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