Interview de Jean Asselborn avec le Trierischer Volksfreund

"(...)Es darf kein Europa à la carte geben"

Interview: Trierischer Volksfreund (Sabine Schwadorf)

Trierischer Volksfreund: Herr Asselborn, Sie sind der dienstälteste EU-Außenminister und waren schon vor zehn Jahren bei der letzten luxemburgischen EU-Ratspräsidentschaft im Amt. Worauf können Sie zurückgreifen?

Jean Asselborn:
Seit dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon hat sich einiges verändert. Wenn auch die koordinierende Rolle unverändert bleibt, so wirken sich die Schaffung eines ständigen EU-Ratspräsidentenamtes (Donald Tusk) und die Rolle der EU-Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik (Federica Mogherini) darauf aus, wie der wechselnde Ratsvorsitz ausgeübt wird. Auch sind mit der Ernennung des Kommissionspräsidenten (Jean-Claude Juncker) und der Ausweitung der Befugnisse des EU-Parlaments neue Gleichgewichte entstanden. Dank meiner Erfahrungen von 2005 bin ich jedoch zuversichtlich. Auch die Kontakte, die man in über zehnjähriger Amtszeit als Außenminister aufgebaut hat, werden nicht nachteilig sein.

Trierischer Volksfreund:
Und welche Aufgaben haben Sie?

Jean Asselborn:
Im Gegensatz zu 2005 wurde ein Großteil der Aufgaben in der Außenpolitik an die EU-Außenvertreterin übertragen. Ich bin in enger Abstimmung mit ihr. Auf anderen Gebieten, wie den Kontakten mit dem Europaparlament, ist der Beitrag des Ratsvorsitzes nach wie vor groß oder gar gewachsen. Was die Treffen der Staats- und Regierungschefs angeht, sind die Außen-und Europaminister für die Vorbereitung der Sitzungen zuständig. Hier gilt es, Verhandlungsgeschick zu beweisen, um schwierige Punkte im Vorfeld abzuklären.
In der EU von 2005 ging es um die Verarbeitung mehrerer Erweiterungsrunden. Heute müssen Sie Abtrünnige wie Großbritannien und Griechenland auf Linie halten.

Trierischer Volksfreund: Schrumpft die EU?

Jean Asselborn: Kleiner wird die EU sicher nicht werden. Auch wenn es der Trend zu sein scheint, die EU für den Großteil der Probleme verantwortlich zu machen, die in den Mitgliedsstaaten auftreten, ist der Erfolg der EU nicht in Frage zu stellen. Auch würde ich Großbritannien nicht als abtrünnig bezeichnen, vielmehr will die britische Regierung - wenn auch mit ungewöhnlichen Methoden - eine Reihe von Reformen durchsetzen. An den Grundprinzipien der EU, wie der Freizügigkeit, darf nicht gerüttelt werden, auch darf es kein "Europa à la carte geben". Diese Debatte werden wir in den nächsten Monaten führen müssen. Was Griechenland angeht, glaube ich, dass wir an einem Scheidepunkt angekommen sind und die Entscheidung jetzt beim griechischen Volk liegt. Luxemburg wird sich konstruktiv einbringen und wie in der Vergangenheit als ehrlicher Makler versuchen, europäische Lösungen herbeizuführen.

Trierischer Volksfreund: Sie sind auch Minister für Immigration und Asyl. Welche Akzente setzen Sie angesichts des Zustroms Tausender Flüchtlinge?

Jean Asselborn: Die Lage ist sehr kritisch. Es handelt sich dabei jedoch nicht um ein Problem der Mittelmeerstaaten, sondern um ein gesamteuropäisches Problem. Und darauf kann es auch nur eine europäische Antwort geben. Wir werden versuchen, die Umsetzung der Europäischen Migrationsagenda weiterzubringen. Der Europäische Rat hat eine innereuropäische Umverteilung von Asylsuchenden auf freiwilliger Basis beschlossen. Es gilt nun eine Lösung zu finden im Sinne der europäischen Solidarität. Auch wollen wir den Grenzschutz, die Rückführungen, die legale Migration und den Kampf gegen Schleuser voranbringen.

Trierischer Volksfreund: Wie sehen Sie die Einigungschancen bei TTIP?

Jean Asselborn:
Die bisherigen Fortschritte reichen nicht aus, um einen Abschluss dieses Handelsabkommens bis Jahresende in Erwägung zu ziehen. Auf amerikanischer Seite ist es zu Verzögerungen gekommen, so dass Präsident Obama sein Verhandlungsmandat erst kürzlich erhielt. Auch auf europäischer Seite läuft die politische Debatte auf Hochtouren. Am Montag hat der Ausschuss für Internationalen Handel des Europaparlaments beschlossen, seine TTIP-Resolution mit 113 Änderungsanträgen erneut im EU-Parlament abstimmen zu lassen. Wir gehen davon aus, dass wesentliche Themen während unseres Ratsvorsitzes angesprochen werden - wie die Öffnung der amerikanischen Beschaffungsmärkte. Hier erwarten wir von unseren amerikanischen Partnern noch erhebliches Entgegenkommen. Bezüglich der Dauer bis zum Vertragsabschluss gilt - wie bei anderen Freihandelsverhandlungen -, dass ein belastbares Ergebnis die zeitlichen Vorgaben bestimmt und nicht umgekehrt.

Trierischer Volksfreund:
Luxemburg hat mit Lux-Leaks, dem Wegfall des Bankgeheimnisses und einem eingebrochenen Wirtschaftswachstum mit Image-Verlusten zu kämpfen gehabt. Welchen Status hat das Land?

Jean Asselborn:
Ich glaube, dass man in der EU gut den Unterschied sieht zwischen einer gegen Luxemburg gerichteten Medienkampagne, welche unserem Image Schaden zugefügt hat, und dem tatsächlichen Sachverhalt. Luxemburg hat in den letzten Jahren eine Wandlung vollzogen, die ihresgleichen sucht. Dies wurde von der OECD in Paris anerkannt. Es hält bestimmte Kreise jedoch nicht davon ab, Vorkommnisse, die Jahre oder gar Jahrzehnte zurückliegen, in rufschädigender Weise neu aufzubereiten. Wie im Zuge der Lux-Leaks-Affäre herausgekommen ist, wurde versucht, an Luxemburg ein Exempel zu statuieren für Praktiken, die in den meisten EU-Ländern und darüber hinaus noch immer gängige Praxis sind. Ich glaube, dass es uns durch unsere schnelle Reaktion gelungen ist, langfristig Schaden zu vermeiden.

Trierischer Volksfreund:  Wie peppen Sie das Image auf?

Jean Asselborn: In den kommenden sechs Monaten werden wir die Gelegenheit haben, unseren Willen zu Transparenz erneut unter Beweis zu stellen, und Luxemburg wird in den Steuerdossiers nicht zu den Bremsern gehören. Die luxemburgischen Ratsvorsitze wurden immer als erfolgreich bewertet, und wir werden alles tun, damit die kommenden sechs Monate hier keine Ausnahme bilden. Dies sollte uns helfen, das verzerrte Image des Großherzogtums wieder zurechtzurücken und unsere Verlässlichkeit, Dynamik und Offenheit in den Vordergrund zu stellen.

Trierischer Volksfreund: Wie schätzen Sie die Wirtschaftslage ein? Was hemmt Luxemburg, was fördert Wachstum?

Jean Asselborn: Nach einer schwierigeren Zeit kehren wir wieder auf einen Wachstumspfad zurück. Laut Statistikamt soll die Wirtschaft im laufenden Jahr zwischen 3,5 und 4 Prozent wachsen. Die Reformen der neuen Regierung, auch wenn einige schmerzlich waren, haben sich wachstumsfördernd ausgewirkt. Vor allem das Exportgeschäft hat wieder angezogen, etwa in der Stahlbranche. Nicht zuletzt fängt die Neuausrichtung des Finanzplatzes an Früchte zu tragen. Ich bin zuversichtlich, dass Luxemburg seinen Platz als wichtigster Finanzplatz in der Eurozone konsolidieren kann. 

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