Interview de Jean Asselborn avec Radio Bayern 2

"Die Europäische Union darf Griechenland nicht in den Abgrund stürzen lassen"

Interview: Radio Bayern2 (Jakob Mayr)

Radio Bayern2: Einen schönen guten Morgen Herr Asselborn.

Jean Asselborn: Guten Morgen Herr Mayr.

Radio Bayern2: Herr Asselborn, ein kleines Land wie Luxemburg, tut sich das schwerer, oder vielleicht auch leichter in der Vermittlung von schwierigen Vorhaben?

Jean Asselborn:  Also ich würde nicht sagen, dass wir es leichter haben. Wir haben nur einen Vorteil: wir wissen, dass unser Schicksal und das Schicksal der Europäischen Union eng miteinander verbunden sind. Ich glaube, größere Länder ticken irgendwie anders. Wir haben 11 Präsidentschaften hinter uns, und ich kann Ihnen eins garantieren, dass wir, die 12. auch schaffen werden. Das ist eine Garantie. Aber natürlich, ich habe ein wenig Angst, dass die Erwartungen in Luxemburg sehr, sehr hoch geschraubt sind, und wir müssen da schauen wie wir effektiv diese Erwartungen auch erfüllen können.

Radio Bayern2: Und eins ist auf jeden Fall sicher, langweilig wird es Ihnen nicht werden in diesem halben Jahr, also mit dem Konflikt in der Ost-Ukraine, dem Flüchtlingsproblem, und der Griechenlandkrise.

Jean Asselborn: Ganz klar!

Radio Bayern2: Griechenlandkrise, da hat man innerhalb der EU momentan den Eindruck aber wirklich alles richtet sich gegen die griechische Regierung. Würden Sie sagen, Sie haben alles versucht?

Jean Asselborn: Ich würde es anders sehen. Ich glaube – ich war ja hautnah dabei als wir 2010 anfingen diese Hilfspakete zu schnüren für Griechenland – die Gegenleistungen auch selbstverständlich aufbauen. Fazit ist, dass das Ganze nicht von Erfolg geprägt ist. Am Ende sehen wir die Würde des griechischen Volkes gegen den Respekt vor den Auflagen der Gläubiger. Und das Resultat ist ein Crash, Unversöhnlichkeit. Es sind keine Wunder zu erwarten, das muss man auch sehen, weder vor Sonntag noch nach dem Sonntag, wenn das Referendum effektiv stattfindet. Griechenland wird, glaube ich aber auch, Herr Mayr, die Europäische Union weiter brauchen – mehr denn je. Und die Europäische Union darf Griechenland nicht in den Abgrund stürzen lassen. Wir als Präsidentschaft haben ja keine direkten Eingreifmöglichkeiten oder Einwirkungsmöglichkeiten, aber wir werden, auf allen Etagen werden wir behilflich sein, dass es nicht zu einem noch größeren Chaos kommt.

Radio Bayern2: Die Art wie Athen verhandelt in Brüssel, ist das neu? Also früher war es ja immer so, dass man zumindest versucht hat nach außen, wenn sich die Staats- und Regierungschefs, oder auch die Minister nach außen auf die große Bühne bewegen, dass da versucht haben alle Seiten ihr Gesicht zu wahren, dass es keine Verlierer gibt. Dat hat man jetzt in den Verhandlungen mit Athen den Eindruck, da gibt es klare Gewinner, und klare Verlierer, oder möglicherweise nur Verlierer?

Jean Asselborn: Ich bin nicht überzeugt, dass das richtig ist. Ich glaube dass wir in der Europäischen Union – vor allem seit 2008 – viele Inszenierungen gesehen haben, wo die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union sehr, sehr viel beschädigt wurde, was diese sogenannten Chefs angeht, die in Brüssel aufgetreten sind. Und darum, die Griechen muss man irgendwie verstehen. Hier geht es um die Würde eines Volkes. Man muss aber auch verstehen – auf der anderen Seite – dass man keine Hilfe bekommen kann ohne die Bedingungen zu erfüllen. Und das ist das große Problem was wir haben, dass eine Kluft zwischen diesen zwei Ansprüchen entstanden ist. Ich glaube dass wir in der Europäischen Union auch ein mea culpa machen müssen, und dass vielleicht nach diesem Schock und dem Referendum, wenn das stattfindet, da wirklich die Köpfe zusammengesteckt werden, und dass man wieß um was man kämpft. Man kämpft ja auch hier um die Glaubwürdigkeit der Union. Man kämpft aber auch um das Wohl eines Volkes, das man nicht einfach in den Abgrund ziehen darf.

Radio Bayern2: Das ist ja ein bisschen ein Dilemma. Eigentlich zeigt sich jetzt das Problem, das große Problem der Währungsunion. Man müsste eigentlich enger zusammenarbeiten in der Finanz- und Wirtschaftspolitik. Auf der anderen Seite haben viele Leute auch die Schnauze voll von zu viel Europa jetzt, gerade jetzt?

Jean Asselborn: Ja, also ich glaube noch immer dass wir nicht genug Europa haben. Ich gebe Ihnen Recht dass alles was die Wirtschaftsunion angeht – auch die Finanzunion angeht – dass es hier um die Souveränität der kleinen, der großen, der mittleren Staaten geht. Wir sind noch nicht so weit diesen Weg zu beschreiten. Sie haben ja gesehen diesen Bericht der 4 oder 5 Präsidenten, in welche Richtung das trotzdem zeigt. Wenn Europa als Europa, so wie es heute besteht, im Jahre 2050 noch bestehen will – und ich hoffe das für die Generationen die ins 21. Jahrhundert hineinwachsen –müssen wir hier noch umbauen, aber natürlich auf eine Art und Weise die die Menschen verstehen, und die Schnauze nicht voll davon haben.

Radio Bayern2: Herr Asselborn, was würden Sie sagen, ist eine gute Ratspräsidentschaft? Also was wollen Sie in den kommenden 6 Monaten erreichen?

Jean Asselborn: Ja, also das Allerwichtigste neben Griechenland natürlich ist die Migration. Der letzte europäische Rat war beschämend. Ich glaube sogar sagen zu können – ich bin auch Immigrationsminister – dass wir ohne den europäischen Rat in Sachen Migration, als Außenminister, als Immigrationsminister, mit der Kommission zusammen, die eine sehr gute Arbeit gemacht hat, viel weiter wären.

Also, ich glaube dass die größte Aufgabe für uns Luxemburger ist, dass man Solidarität, die täglich beschwört wird, dass man die konkretisieren kann, damit die Europäische Union weiter als eine zivilisierte Veranstaltung in der Welt wahrgenommen wird. Wir werden uns anstrengen.

Ich bin heute hier in Berlin bei Herrn de Maizière, um mit ihm darüber zu reden. Ich bin heute Abend schon in Rom, und ich bin auch morgen in Lampedusa um mir vor Ort anzuschauen wie groß das menschliche Leid ist, damit man das auch sieht, und damit man vielleicht auch weiter kommunizieren kann, dass wirklich die Solidarität - wo jedes europäische Land sich anstrengt zu helfen – dass die auch Wirklichkeit wird. Das, glaube ich, ist unsere große Aufgabe.

Radio Bayern2: Luxemburg übernimmt den Ratsvorsitz in der EU. Das war Aussenminister Jean Asselborn am Telefon der Bayern2 Radiowelt. Herr Asselborn, vielen Dank für das Gespräch.

Jean Asselborn: Bitte!

Radio Bayern2: Und alles Gute!

Jean Asselborn: Danke vielmals!

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