Jean Asselborn au sujet de la situation en Iran

"Das wirtschaftliche Potenzial des Iran"

Tageblatt (Dhiraj Sabharwal): Wir begleiten Sie am Sonntag in den Iran. Wie kam es eigentlich zu dieser Reise?

Jean Asselborn: Dass Luxemburg eingeladen worden ist, hängt zu 90 Prozent damit zusammen, dass wir momentan einen nicht-ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat haben. Es handelt sich bei dieser Reise um mehr als nur eine offizielle Visite. Das zeigt alleine die Tatsache, dass wir nicht nur den Außenminister, den Präsidenten und den Parlamentspräsidenten treffen. Wir besichtigen außerdem Isfahan, eine Stadt, die für die Wurzeln des Iran steht und seine reiche Kultur symbolisiert. Die Stadt ist ein wichtiger Standort der iranischen Kernforschung. Und wir wurden zu den Feierlichkeiten im Rahmen des 25. Todestages von Ayatollah Khomeini eingeladen.

Tageblatt: Wie wird Luxemburg im Iran Ihrer Meinung nach wahrgenommen?

Jean Asselborn: Luxemburg ist ein Land, das vom Iran wegen seiner Arbeit im UN-Sicherheitsrat geschätzt wird. Wir vertreten gleichzeitig die Positionen der Europäischen Union und der internationalen Gemeinschaft. Ich glaube, dass man in Teheran spürt, dass Luxemburg ein Land ist, das eine positive Rolle für den Wandel im Iran spielen könnte. Man sollte daran erinnern, dass es nur noch sieben Wochen bis zum 20. Juli sind: Die UN-Vetomächte (USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien) und Deutschland wollen bis dahin mit dem Iran eine weitreichende Lösung des seit Jahren anhaltenden Konflikts um das Atomprogramm Teherans erarbeiten.

Tageblatt: Wie steht Luxemburgs neue Regierung eigentlich zu dem Atomprogramm des Iran?

Jean Asselborn: Das Großherzogtum hat immer betont, dass Teheran das Recht zur Anreicherung von Uran zu friedlichen Zwecken hat. Es handelt sich um meine erste Visite in den Iran, seitdem ich vor zehn Jahren Außenminister geworden bin. Der Iran ist ein Land mit einem enormen wirtschaftlichen Potenzial, dem man die Türen öffnen sollte, dies aber nicht möglich ist, solange nicht alle Bedingungen erfüllt sind, um die internationalen Sanktionen aufzuheben. Luxemburg kann in diesem Zusammenhang eventuell eine für alle Beteiligten positive Rolle spielen.

Tageblatt: Sollte es zu einer Einigung im Atomstreit mit dem Iran kommen, sehen Sie Kooperationspotenzial für Luxemburg?

Jean Asselborn: Ich werde natürlich auch versuchen, das wirtschaftliche Potenzial des Iran und eine mögliche Kooperation mit Luxemburg abzuwägen, wenn alle Konditionen im Rahmen der Atom-Verhandlungen erfüllt sind. Luxemburg könnte, wenn der Iran sich wirtschaftlich öffnet und die Sanktionen fallen gelassen werden, einer der ersten Kooperationspartner sein. Das ist etwas, das mir als sehr wichtig erscheint.

Tageblatt: Wie haben Sie die laufenden Atomverhandlungen bislang wahrgenommen?

Jean Asselborn: Es ist bekannt, dass die Gespräche mit dem Iran sehr lange wegen der Atomfrage stockten. Der Iran hat jahrelang heimlich Uran angereichert. Wichtige Verhandlungen fanden ab 2004 statt und wurden von den ehemaligen Außenministern aus drei Ländern geführt: Joschka Fischer (Deutschland), Michel Barnier (Frankreich) und Jack Straw (Großbritannien).

Ab 2004 wurden die Gespräche intensiv vom EU-Außenbeauftragten Javier Solana mitgeleitet. Ich habe Herrn Solana damals während der luxemburgischen EU-Ratspräsidentschaft für diese Rolle vorgeschlagen. Ab 2006 wurde die P5+l ins Leben gerufen, um die diplomatischen Verhandlungen mit dem Iran voranzutreiben. Die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats plus Deutschland versuchten eine Lösung für das Atomprogramm des Iran zu finden. Demnach kamen die USA, Russland und China am Verhandlungstisch hinzu. Mit der Wahl des damaligen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad wurde die Verhandlungssituation jedoch extrem kompliziert. Solana hatte dennoch die positive Idee, um die „doubletrack“-Herangehensweise zu verfolgen. Er hielt daran fest, den Dialog mit dem Iran aufrechtzuerhalten und gleichzeitig Druck auf Teheran auszuüben. Der für den Verhandlungserfolg relevante Wandel kam aber erst mit der Wahl des neuen iranischen Präsidenten Hassan Rohani. Er sah, dass die Wirtschaft des Iran durch die internationalen Sanktionen sehr geschwächt ist. Ich glaube, dass der Iran unter ihm wieder ein international positiv anerkannter Staat sein will. Ein Verhandlungserfolg wäre das Gegenteil von all dem, was unter Ahmadinedschad passierte.

Tageblatt: Wie analysieren Sie die aktuelle Machtverteilung in der politischen Welt des Iran?

Jean Asselborn: Es gibt natürlich noch immer eine konservative Minorität, die sehr stark und einflussreich ist. Deswegen ist die aktuelle Situation besonders wichtig und interessant. Präsident Rohani versucht den Iran gegenüber der internationalen Gemeinschaft zu öffnen. Allerdings sollte man hier nicht vergessen, dass es diese konservative Minorität gibt und sie auch ihre eigenen Vorstellungen bezüglich dieser Öffnung hat und an ihren eigenen Interessen festhält.

Tageblatt: Wie beurteilen Sie den Umgang mit den Menschenrechten im Iran?

Jean Asselborn: Es ist klar, dass im Iran andere Standards im Umgang mit Menschenrechten herrschen. Wir sind in Europa beziehungsweise der Europäischen Union andere Standards gewöhnt. Dennoch freue ich mich sehr auf diese erste Visite, da es nur über Gespräche und Diplomatie zu Verbesserungen in der internationalen Politik kommen kann.

Tageblatt: Der Iran spielt in zahlreichen Konflikten eine Schlüsseirolle. Man denke an den Syrienkonflikt, der zu einem Stellvertreterkrieg der USA und Russland geworden ist. Wo sehen Sie die Rolle des Iran in diesem Zusammenhang?

Jean Asselborn: Ich denke, dass der Iran sehr viel Positives im Nahen Osten bewirken kann, wenn er eine positive Position einnimmt. Ich denke, dass er ein Faktor sein kann, um nicht nur im Syrienkrieg, sondern in vielen anderen Konfliktregionen für Entspannung zu sorgen. Die Haltung und Politik des Iran werden sehr ernst genommen. Das sollte man berücksichtigen.

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