Jean Asselborn au sujet du référendum sur l'immigration en Suisse et la situation en Syrie

"Die Schweiz hat gestern meines Erachtens das Falsche getan"

"Es gibt eine Logik, es gibt eine Verbindlichkeit zwischen diesen zwei Seiten. Erstens, die Freizügigkeit der EU-Bürger, einerseits, andererseits der privilegierte Zugang der Schweiz zum europäischen Binnenmarkt. Das Eine ist ohne das Andere nicht möglich. Man kann verhandeln, selbstverständlich, aber die Freizügigkeit der europäischen Bürger darf nicht verunstaltet und verwässert werden."

Rudolf Geissler: Sie beraten heute, wie gesagt, mit Ihren EU-Aussenminister-Kollegen unter anderem über die Lage in Syrien und die Konferenz im schweizerischen Genf – dazu kommen wir gleich – doch gestern hat sich die Schweiz ja gewissermaßen selbst auch als Tagesordnungspunkt auf die Agenda der EU geschoben. Dieser Ausgang der Volksabstimmung, Herr Asselborn, welche Folgen wird er haben für das Verhältnis zwischen der Schweiz und der Europäischen Union?

Jean Asselborn: Wir müssen natürlich akzeptieren was das Schweizer Volk in diesem Referendum gesagt hat, aber man kann nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Es gibt eine Logik, es gibt eine Verbindlichkeit zwischen diesen zwei Seiten. Erstens, die Freizügigkeit der EU-Bürger, einerseits, andererseits der privilegierte Zugang der Schweiz zum europäischen Binnenmarkt. Das Eine ist ohne das Andere nicht möglich. Man kann verhandeln, selbstverständlich, aber die Freizügigkeit der europäischen Bürger darf nicht verunstaltet und verwässert werden.

Rudolf Geissler: Diese Verträge zwischen der EU sind als Paket verstanden worden, das ist klar. Eigentlich müsste mit der Kündigung des Einzelvertrages über die Freizügigkeit, das ganze Paket hinfällig werden. Nur wird das zwangsläufig so sein oder sehen Sie da Kompromisschancen?

Jean Asselborn: Herr Geissler, ich glaube es wäre wirklich schade wenn die Schweiz sich abschotten würde. Aber man muss die Realität sehen. Herr Blocher, das ist ja der Vater dieser Initiative, das soll ein Mensch sein mit sehr viel Geld, vielleicht aber auch ein Mensch mit wenig Weitsicht im Kopf. Es gibt Stimmen in der Schweiz, die sagen, er müsste jetzt nach Brüssel kommen und verhandeln mit der Europäischen Union. Es gibt ja, jeder dritte Franken der in der Schweiz verdient wird, hängt direkt oder indirekt, auch mit dem europäischen Markt zusammen. Sie wissen ja auch, oder Sie sehen, wer applaudiert. Es sind die Le Pens, die Strache, die Wilders, da ist Herr Blocher in guter Kompanie.

Für mich, Herr Geissler, ist es ganz klar, die Freizügigkeit darf weder im Prinzip in der Europäischen Union, noch in der Relation mit Drittstaaten angetastet werden. Die Freizügigkeit ist eine der herausragenden Errungenschaften der Europäischen Union und hier darf man nicht, man soll bereit sein zu Verhandlungen aber hier darf man keinen Schritt im Prinzip nachgeben.

Rudolf Geissler: Sie sprechen Le Pen und Wilders an, befürchten Sie, dass dieses Schweizer Referendum, es gibt ja auch Angst vor unbeschränkter Zuwanderung innerhalb der EU, dass solchen Strömungen auch Auftrieb gegeben wird innerhalb der Europäischen Union?

Jean Asselborn: Das wird sich widerspiegeln, es wird Wasser auf die Mühlen der Populisten und dieser Opportunisten bringen. Aber die Europäische Union ist ja ein Friedensprojekt und das dürfen wir ja nie vergessen. Ich weiss, dass es auch in der Europäischen Union ja viele Kontradiktionen gibt, wenn Sie sehen was zum Beispiel in England geschieht. Cameron muss alles tun was er machen kann, und das ist schon schwer für ihn, um Schottland im United Kingdom zu behalten. Andererseits droht er, dieses Referendum wird er ja veranstalten, 2017, und diese Kontradiktion aus der Europäischen Union heraus zu gehen. Auch diese Impulse die er gegeben hat, von London aus, gegenüber Bulgarien und Rumänien, all dies hilft natürlich Menschen die zögern, auch in der Schweiz, hier eben das Falsche zu tun. Die Schweiz hat gestern meines Erachtens das Falsche getan.

Rudolf Geissler: Hoffnung, dass die Vernunft die Oberhand behält, diese Beschwörungsformel passt ganz gut um jetzt überzuleiten. Noch ganz kurz zu unserem eigentlich verabredeten Thema, Herr Asselborn, die Syriengespräche. Wenn in Syrien jetzt sogar Konvois mit Hilfsgütern, wenn humanitäre Hilfe beschossen wird, wie am Samstag in Homs, was ist dann von dieser Konferenz eigentlich noch zu erwarten?

Jean Asselborn: Ich glaube, dass diese Konferenz überhaupt stattfindet ist ja ein kleines Wunder und dass sie auch zurückkommen ist ja, sagen wir mal, positiv zu bewerten und hier ist Druck aus Russland geschehen. Ich hoffe, dass der Druck aus Russland sich auch auf die Substanz niederschlägt. Ich hoffe auch, dass es in einem gewissen Moment dazu kommt, dass der Iran an den Gesprächen beteiligt wird. Der Iran ist Teil des Problems. Er müsste auch Teil der Lösung werden.

Rudolf Geissler: Wer soll die Extremisten in Syrien, die Islamisten die gar nicht teilnehmen an der Genfer Konferenz, zur Waffenruhe zwingen, wenn die denn ausgehandelt würde?

Jean Asselborn: Die humanitäre Frage ist für mich die allerschlimmste Frage. Es gibt 242.000 Menschen in Syrien die in besetzten Städten gefangen sind. Wir müssen uns jetzt konzentrieren, dass humanitär effektiv der Zugang gewährleistet wird. Das ist Sache die ja auch in New York im Sicherheitsrat besprochen wird. Luxemburg, Australien, vor allem die beiden Länder haben sehr viel daran gearbeitet. Wir werden am Donnerstag, Valerie Ames wird im Sicherheitsrat zu hören sein, und ich hoffe dann, dass wir im Sicherheitsrat es fertig bringen, ohne Veto eine klare Resolution für humanitäre Hilfe zu schaffen. Das ist das Erste, das Zweite ist natürlich, was Sie ansprechen, wer kontrolliert die Extremisten und die Terroristen effektiv in Syrien. Aber man kann natürlich auch nicht dahingehen und sagen, jeder der gegen Assad kämpft ist ein Terrorist. Es gibt terroristische oder extremistische Gruppen die immer mehr überhand bekommen, das stimmt, aber darum glaube ich, dass vor allem was ich am Anfang gesagt habe, Russland eine grosse Verantwortung hat und der Iran auch mit einbezogen werden muss.

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