Interview mit Xavier Bettel im Tageblatt

"Zweistaatenlösung realistischer als zuvor"

Interview: Tageblatt (Stefan Kunzmann Sidney Wiltgen)

Tageblatt: Herr Minister, wie haben Sie die ersten hundert Tage als Außenminister erlebt?

Xavier Bettel: Wir haben eine Welt, die brennt. Auf fast jedem Kontinent gibt es Konflikte und Probleme. Es war leidenschaftlich, weil es für mich neue Aufgaben sind, in die ich mich einarbeiten musste, obwohl ich schon viel gekannt habe. Schließlich ist die Verbindung zwischen Premierminister und Außenminister in den internationalen Beziehungen ganz nah. Ich war viel unterwegs, was privat viel Verständnis von meinem Ehemann voraussetzte. Es ist aber auch ein Glück, dass ich ein Team habe, mit dem ich äußerst gern zusammenarbeite. Dabei habe ich ja mehrere Ministerien: vom Außenressort bis zu dem Ressort für die Großregion, dem für europäische Angelegenheiten und für den Außenhandel bis hin zum Ministerium für Entwicklungszusammenarbeit. Es sind große Herausforderungen und wegen der schweren Zeiten mit Bildern verbunden, die man nicht so einfach verarbeiten kann.

Tageblatt: Ihre erste Reise führte Sie in den Nahen Osten, nach Israel...

Xavier Bettel:... und Palästina. Ich war in beiden und werde dort noch mal vor den großen Ferien hingehen. Ich hatte denselben Diskurs gegenüber Israelis und Palästinensern. Beide sagten mir, ich solle wieder zurückkommen. Das zeigt mir, dass eine solche Reise nicht vergebens ist und dass es einen Gesprächsbedarf gibt. Ich hatte diese Woche noch Kontakt zu israelischen Spitzenpolitikern und habe sie darauf aufmerksam gemacht, dass die humanitäre Krise in Gaza dramatisch ist und dass sie verschiedene Türen öffnen sollen. Und ich schrieb ihnen, dass mein Wunsch eine Waffenruhe ist.

Tageblatt: Ist es der Vorteil eines kleinen Landes wie Luxemburg, dass man nicht so sehr unter Beobachtung steht und deshalb auf diese Art und Weise intervenieren kann?

Xavier Bettel: Zum einen ist es in der Tat der Vorteil eines kleinen Landes, zum anderen aber auch der Vorteil von Vertrauensverhältnissen, die ich im Laufe der Zeit mit israelischen und palästinensischen Politikern aufgebaut habe. Den Israelis sagte ich, dass man ihre Position nicht nur nicht mehr verteidigen, sondern auch nicht verstehen kann. Und den Palästinensern sagte ich, dass sie noch immer nicht die Attacke vom 7. Oktober verurteilt haben - und dass es einfach nicht geht, dass es so aussieht, also ob man eine Prämie darauf ausgesetzt hat, wenn jemand einen Juden umbringt.

Tageblatt: Ist die Zweistaatenlösung überhaupt noch ein realistischer Ansatz?

Xavier Bettel: Noch realistischer als zuvor. Aber zuerst müssen wir einen Waffenstillstand erhalten. Das ist die erste Grundvoraussetzung, der erste Schritt. Jetzt haben die Amerikaner einen Entwurf für eine UN-Resolution vorgelegt, in der ein sofortiger Waffenstillstand gefordert wird (die UN-Resolution wurde im Laufe des Wochenendes von China und Russland abgelehnt; Anm. d. Red.). Bis jetzt sind mehr als 30.000 Menschen gestorben.

Tageblatt: Wie beurteilen Sie den jüngsten Einsatz der israelischen Armee in Rafah?

Xavier Bettel: Zurzeit sind sie ja in einem Krankenhaus. Dass die humanitäre Hilfe da nicht reinkommt, schockiert mich, und dass keine Medikamente reinkommen. Die Israelis behaupten, dass in dem Krankenhaus die Hamas versteckt ist und dass bei ihrem Einsatz keine Frauen und Kinder umkommen. Aber wenn 70 Prozent der Menschen, die ums Leben kamen, doch Frauen und Kinder sind, dann kann das nicht so sein, wie sie sagen.

Tageblatt: US-Präsident Joe Biden hat vor wenigen Tagen zum ersten Mal seit einem Monat wieder mit Benjamin Netanjahu telefoniert und macht Druck auf ihn. Bald sind aber US-Wahlen. Was ist, wenn Donald Trump diese gewinnt?

Xavier Bettel: Jetzt lassen wir die Amerikaner erst einmal wählen. Trump wird auch mit der Realpolitik konfrontiert sein. Er ist nicht einer, der sagt, dass alles, was die Palästinenser tun, falsch sei und das alles gelte nichts mehr. Das wird er nicht tun.

Tageblatt: Ist eine Friedenslösung ohne die USA überhaupt denkbar?

Xavier Bettel: Für einen Frieden ist es am besten, wenn der größte Partner an Bord ist. Die USA werden sicherlich mehr gehört als Luxemburg. Wenn der US-Außenminister etwas sagt, dann hat das mehr Einfluss, als wenn Xavier Bettel etwas sagt. Dieser Realität muss man sich bewusst sein. Deshalb ist es wichtig, eine Initiative gemeinsam zu ergreifen.

Tageblatt: Die USA waren lange Zeit der einzige Garant für die israelische Sicherheit.

Xavier Bettel: Heutzutage ist eine ganze Reihe von Ländern, unter anderem Saudi-Arabien, wichtig. Ich kann mir auch vorstellen, dass Israel ein sehr großes Interesse daran hat, die Beziehungen zu Saudi-Arabien zu verbessern. Es ist wichtig, auch andere Länder wie Ägypten dabeizuhaben. Es hat schließlich eine lange Grenze zu Israel. Man sollte jedenfalls vermeiden, dass es eine europäische Lösung für die Araber ist, oder eine arabische Lösung für die Israelis. Die Aussagen von Netanjahu, dass er keine Zweistaatenlösung will, bereitet mir Sorgen. Er muss verstehen, dass der Frieden für Israel der Frieden von Palästina ist - und andersrum.

Tageblatt: Die Luxemburger Regierung betont immer wieder die guten transatlantischen Beziehungen. Würde dies auch unter US-Präsident Trump gelten?

Xavier Bettel: Keine Ahnung. Wir haben schon mal vier Jahre die Erfahrung mit Herrn Trump gemacht.

Tageblatt: Gute oder schlechte?

Xavier Bettel: Wir haben uns bemüht, konstruktiv zu arbeiten. In der Tat waren die Spannungen zwischen Europa und den USA größer. Ich erinnere an das Pariser Klimaabkommen, aus dem Trump ausgestiegen ist, oder daran, als er Strafzölle auf französischen Wein oder andere Produkte erhoben hat. Das alles hat nicht zur friedlichen Gestaltung der Beziehungen beigetragen. Dies gilt auch für die Beziehungen auf ökonomischem Niveau. Wenn man "America first" verlangt, müssen andere Zweite sein. Der Reflex der Europäer ist dann "Europe first".

Tageblatt: Wie bereiten sich die Europäer für nach den US-Wahlen auf ein mögliches Szenario im Ukraine-Konflikt vor?

Xavier Bettel: Selbstverständlich wäre Trump ein Game-Changer. Ich weiß aber nicht, was im Kopf von Donald Trump vorgeht und wie die Kontakte zwischen Herrn Selenskyj und dem Weißen Haus im Moment sind, und ob er wirklich nicht einen Dollar mehr für den Krieg bezahlen würde. Der Krieg in der Ukraine ist ein Kampf für Werte.

Tageblatt: Trump ist aber nicht dafür bekannt, bestimmte Werte zu verteidigen.

Xavier Bettel: Er will aber auch nicht derjenige sein, der selbst Kriege provoziert. Ich kann mir auch vorstellen, dass er zu Putin und Selenskyj sagt: "Jungs, nun packt euch, ich gebe keinen Cent mehr für den Krieg aus." Und das wäre in meinen Augen nicht zugunsten der Ukraine.

Tageblatt: Hat Sie der Vorstoß von Emmanuel Macron, westliche Bodentruppen in der Ukraine nicht ganz auszuschließen, nicht irritiert?

Xavier Bettel: Es hat mich in dem Sinne irritiert, dass dies uns spalten könnte. Wenn wir ein starkes Bild Ich will weiterhin ein Budget für Entwicklungspolitik haben, das bei über einem Prozent des BIP liegt abgeben wollen, dann durch gemeinsame Positionen. Er wollte uns vielleicht warnen. Dann wären wir im Krieg. Und das wollen wir auf jeden Fall verhindern.

Tageblatt: Für wie realistisch sind denn momentan Friedensverhandlungen?

Xavier Bettel: Ich muss sagen, dass eine meiner größten Enttäuschungen die Beziehung zu Putin ist. Wir hatten einen Austausch. Ich sagte Herrn Putin, dass der Krieg aufhören muss. Als es aber zu Butscha kam, habe ich gemerkt, dass kein Wille und kein Wunsch auf russischer Seite vorhanden war, Friedensgespräche zu führen. Er hat meine Handynummer, aber ich werde keinen Kontakt mehr suchen. Ich werde keine Initiative mehr ergreifen.

Tageblatt: Sie waren auf Hochzeiten in Russland. Gibt es noch Kontakte dahin?

Xavier Bettel: Ich habe russische Verwandte. Ich werde auch weiterhin die Kontakte pflegen. Zu Freunden und zum russischen Teil meiner Familie. Deshalb bin ich in diesem Konflikt so sensibel. Diese Herkunft möchte ich auch nicht verstecken.

Tageblatt: Wie gehen Sie mit den autoritären Regierungschefs innerhalb der Europäischen Union um?

Xavier Bettel: Wenn man sie ignoriert, schließen sie sich wie eine Auster. Es ist wichtig, dass man ihnen die Dinge sagt. Auch wenn man eine entgegengesetzte Meinung hat: Wenn man nicht miteinander redet, hat man auch keinen Austausch. Als ich mit dem ungarischen Außenminister über die ungarische Minderheit in der Ukraine sprach, sagte ich ihm nach der Sitzung, dass ich immer auf seiner Seite sei, wenn er sich für Minoritäten einsetzt.

Tageblatt: Sie setzen also mehr auf Dialog als Isolation.

Xavier Bettel: Dialog, bis das nicht mehr funktioniert. Wenn das nichts bringt, muss man Sanktionen nehmen. Die EU-Sanktionsmechanismen funktionieren meist nicht, weil sie doch sehr schwerfällig sind. Der Dialog muss jedoch an erster Stelle stehen. Jemanden sanktionieren, ohne davor mit ihm geredet zu haben, mache ich nicht. Man versucht Lösungen zu finden, zu vermitteln — wenn das nichts bringt, muss man jedoch durchgreifen.

Tageblatt: Luc Frieden wurde in diesem Kontext als Orban-Flüsterer dargestellt.

Xavier Bettel: Ich glaube, dass er gesagt hat, dass er versuche, die Forderungen der Ungarn zu verstehen. Ich glaube, dass er nicht richtig zitiert wurde. Ich kenne die Überzeugungen von Luc Frieden. Und diese liegen viel näher an meinen als an denen eines Viktor Orban.

Tageblatt: Wird es in Zukunft noch schwieriger mit den Erfolgen, die Rechtspopulisten derzeit bei Wahlen vorweisen können?

Xavier Bettel: Nicht nur bei Wahlen, sie sind ja mittlerweile in zahlreichen Regierungen. In Portugal wird es schwierig, eine Regierung zu haben, ohne die Unterstützung der Rechtsextremen. In den Niederlanden wird es zukünftig keine Regierung mehr geben ohne die Beteiligung von Rechtsextremen. Ähnlich in Finnland und Schweden.

Tageblatt: Wie würden Sie es denn handhaben, wenn in Luxemburg bei der Regierungsbildung kein Weg mehr vorbei an Rechtsextremen führen würde?

Xavier Bettel: Wenn das der Wählerwille ist, sollen sie Verantwortung übernehmen - und dann entzaubern sie sich meiner Meinung nach sehr schnell von alleine. Andernfalls müsste man von "déi Lénk" bis zur ADR allesamt in ein Boot nehmen, um gegen eine nationalistische Partei vorzugehen. Wir haben in Luxemburg noch Glück: Die ADR ist keine rechtsextreme Partei. Sie ist konservativ, reaktionär und verteidigt die nationale Identität - es ist aber noch keine AfD oder Le-Pen-Partei. Momentan noch zumindest. Die Xenophobie, der Antisemitismus, die Homophobie, das Antieuropäische, die diese Parteien an den Tag legen, fehlen bei der ADR.

Tageblatt: Es sitzt ein ADR-Abgeordneter, der bereits einen Nazi-Salut über einem jüdischen Denkmal gezeigt hat, in der Chamber, auf dem Kongress der ADR wurde allem "Woken" der Kampf angesagt. Auch positioniert sich die ADR zunehmend antieuropäisch...

Xavier Bettel: Es gibt durchaus Elemente, und es gilt, die weitere Entwicklung abzuwarten. Im Moment ist es jedoch schwierig, die ADR mit einer AfD oder einem Rassemblement National gleichzusetzen. Das ist momentan meine persönliche Meinung — ohne auszuschließen, dass sie sich in die Richtung entwickelt.

Tageblatt: Ist es denn auch etwas anderes, wenn man mit der italienischen Regierung umgeht?

Xavier Bettel: Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni wurde mit einem rechtsextremen Programm gewählt, macht aber eine Politik der Mitte. Deshalb wollen sie ja einige salonfähig machen, um eine Mehrheit im Europaparlament zu erlangen. Ich persönlich habe Probleme mit der ECR (Fraktion der "European Conservatives and Reformists"; Anm. d. Red.). Sie stellen sich gegen sehr vieles, während wir uns eher für etwas einsetzen.

Tageblatt: China nimmt im neuen Koalitionsvertrag eine hervorgehobene Stellung ein. Was ist die Strategie der neuen Regierung hinsichtlich China?

Xavier Bettel: Wir versuchen mit den Chinesen zusammenzuarbeiten, auch wenn es nicht immer einfach ist. Ich werde nicht einfach etwas verbieten, nur weil es chinesisch ist, wie es derzeit die Diskussionen um die TikTok-App nahelegen. Man muss wissen: China ist ein Partner, aber auch gleichzeitig ein Konkurrent.

Tageblatt: Riskiert der Welthandel sich immer mehr den USA und China zuzuwenden - und in der Folge Europa an die Peripherie gedrückt wird?

Xavier Bettel: Ich war kürzlich auf einem Treffen der Welthandelsorganisation in Abu Dhabi. Es ist nicht so, dass zwei Länder die Entscheidungen für alle treffen. Fakt ist jedoch: China ist das bevölkerungsreichste Land der Welt und stellt somit einen riesigen Markt dar. Es ist aber auch wichtig, ein Level Playing Field herzustellen. Dem China-Bashing oder China-Banning schließe ich mich nicht ohne Weiteres an.

Tageblatt: Es hat immer geheißen, dass Luxemburg ein Sprungbrett für die chinesische Finanzwelt ist. Ist dem immer noch so?

Xavier Bettel: Nicht nur chinesische. Wir haben viele europäische Unternehmenssitze ausländischer Banken hier in Luxemburg. Ich bevorzuge es - gerade nach dem Brexit -, dass sie nach Luxemburg kommen, als dass sie nach Amsterdam, Dublin, Frankfurt oder Paris gehen.

Tageblatt: Wird in der jetzigen Legislatur noch am Mercosur-Abkommen gearbeitet?

Xavier Bettel: Wir sind weniger skeptisch als die Franzosen. Es darf nicht zu einer Verwässerung ökologischer oder qualitativer Kriterien kommen. Luxemburg ist auf jeden Fall nicht die Nation, die das blockiert.

Tageblatt: Wie stehen Sie angesichts der Lage in Mali, Niger und Burkina Faso zum 3D-Ansatz (Diplomatie, Défense, Développement)?

Xavier Bettel: Fakt ist, dass wir zu keinem Zeitpunkt eine Garantie haben, dass die Länder eine Demokratie bleiben werden. Als wir 2022 in Niger waren, hätte es niemand für möglich gehalten, dass gegen den nigrischen Präsidenten Mohamed Bazoum geputscht werden würde. Im Gegenteil: Es wurde immer als Beispiel für Stabilität angeführt. Ich habe nun entschieden, keine weitere bilaterale Kooperationshilfe mit Burkina Faso einzugehen. Wir werden jedoch weiterhin in EU-und UNO-Projekten mitwirken, weil wir der Bevölkerung weiterhin helfen wollen. Wichtig ist, dass unsere Mitarbeiter vor Ort in Sicherheit sind.

Tageblatt: Sie sind in der kommenden Woche in Togo und Benin - auf der Suche nach neuen Kooperationspartnern?

Xavier Bettel: Nein, mein Vorgänger Franz Fayot war bereits in Benin, und in Togo sind wir im Bereich der Digitalisierung unterwegs. Wenn wir aber weniger in Niger, Mali und Burkina Faso arbeiten, müssen wir neue Kooperationspartner finden.

Tageblatt: Der russische Einfluss in der Sahelzone hat mit den Wagner-Söldnertruppen in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Braucht es neben den 3D noch die vierte Dimension der "Dissuasion" (Abschreckung)?

Xavier Bettel: Die Abschreckung beinhaltet für mich, dass man sich auch den Falschnachrichten annimmt, die von solchen Akteuren verbreitet werden. Meine Außenpolitik wird nicht die Dissuasion als vierten großen D einsetzen. Es ist wichtig und gehört durchaus dazu. Wir werden uns aber vornehmlich auf die drei etablierten D stützen.

Tageblatt: In Luxemburg ist es derzeit parteiübergreifend unumstritten, dass Entwicklungspolitik betrieben wird. International scheint der Trend jedoch in eine andere Richtung zu gehen...

Xavier Bettel: Viele Regierungen kürzen den Kooperationsetat. Ich will weiterhin ein Budget für Entwicklungspolitik haben, das bei über einem Prozent des BIP liegt. Das werde ich vehement verteidigen. Wie genau sich die Berechnung des Budgets zusammensetzt, ist mir egal. Wir können mit diesen Geldern aber viel bewegen.

Tageblatt: Wie bewerten Sie denn die Kürzungen auf internationaler Ebene?

Xavier Bettel: Wir haben die Chance in Luxemburg, dass wir mit der Entwicklungshilfe keine Politik gemacht haben. Bis auf die ADR ziehen in dem Punkt alle Parteien an einem Strang. Das ist eine große Stärke. Ich kann mich an keinen Kooperationsminister erinnern, der die Arbeit seines Vorgängers kritisiert hat.

Tageblatt: Sie sind erstmals nicht als Premierminister in einer Regierung dabei, sondern "nur" als Vizepremierminister. Wie blicken Sie auf die Arbeit Ihrer Regierungskollegen?

Xavier Bettel: Politik ist kein Ego-Trip. Es ist mir egal, ob auf meiner Visitenkarte Premierminister oder Vizepremierminister steht. Ich will etwas bewirken. Ich bin stolz, wenn ich auf die vergangenen zehn Jahre zurückblicke und will das Erreichte nicht wieder verlieren.

Tageblatt: Sie bewerten die Arbeit Ihrer Regierungskollegen also als "gut". Auch das Bettelverbot?

Xavier Bettel: Wir mussten etwas tun. Wir hatten ein Problem des manchmal subjektiven Sicherheitsgefühls, und darauf muss die Politik reagieren. Ich habe als Bürgermeister ebenfalls Öffentlichkeitskampagnen gemacht, in denen ich versucht habe, den Menschen zu vermitteln, dass sie den Bettlern kein Geld, sondern was zu essen geben sollen. Es stört mich einfach, dass Menschen insbesondere bei der organisierten Bettelei ausgebeutet wurden. Ob die Methode, die wir jetzt angewandt haben, die effektivste war, weiß ich nicht. Da muss nachher Bilanz gezogen werden.

Tageblatt: Es widerspricht wohl keiner, wenn es um die organisierte Bettelei geht. Mit den vorgelegten Texten ist aber jede Form anvisiert.

Xavier Bettel: Es ist schwierig nachzuweisen, ob eine Form des Bettelns nun organisiert ist oder nicht...

Tageblatt: Ist es in dem Fall richtig, alle Formen des Bettelns zu verbieten?

Xavier Bettel: Es war nötig, eine Aktion "coup de poing" zu machen, und da werden wir Bilanz ziehen. Sie helfen niemandem aus der Armut, indem Sie Geld geben. Ich habe als Sozialschöffe der Stadt Luxemburg viel probiert — es muss aber ein beidseitiger Wille vorhanden sein.

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