Interview mit Jean Asselborn im Luxemburger Wort

"Drei Fragen an Jean Asselborn"

Interview: Luxemburger Wort (Jan Kreller)

Luxemburger Wort: Das Auffanglager auf Lampedusa ist überfüllt. Wird sich Luxemburg zur Entlastung Italiens kurzfristig an der Aufnahme der dort gestrandeten Menschen beteiligen?

Jean Asselborn: Nein. Luxemburg hat die Bettenzahl für Asylbewerber zwischen 2015 und 2023 mehr als verdreifacht, von 2.000 auf 7.200. Unsere Kapazitäten sind so gut wie erschöpft. Dabei nehmen wir pro Monat immer noch rund 200 Menschen auf, im September sind es schon 130. Darunter befinden sich Dublin-Fälle, die wir auch ohne direkte Zuständigkeit aufnehmen. Hinzu kommt, dass wir für die Familienzusammenführung Plätze freihalten müssen. Deshalb können wir nicht noch zusätzlich Menschen aus Italien aufnehmen.

Luxemburger Wort: Vielerorts sind aufgrund von illegaler Migration und der Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine die Kapazitätsgrenzen erreicht. Steht zu befürchten, dass ein "Weiter so" der Solidarität der EU-Länder einen Bärendienst erweisen wird?

Jean Asselborn: Ich habe ein anderes Problem. Einige Länder in der EU haben diese Solidarität erst gar nicht gezeigt. Diese Länder sollten jetzt in die Pflicht genommen werden. Dort hat man nicht verstanden, dass Italien und Griechenland geholfen werden muss. Und man kann nicht verallgemeinern, dass in allen Ländern der Europäischen Union die Kapazitäten erschöpft sind. Zugegeben: Auch in den Benelux-Ländern gestaltet sich die Wohnungssuche schwierig. Die Menschen mit Schutzstatus kommen so nicht aus den Sammelunterkünften heraus. In Luxemburg sind das fast 50 Prozent.

Luxemburger Wort: Welche kurzfristigen und langfristigen Maßnahmen zur Begrenzung der illegalen Migration sind aus Ihrer Sicht realistisch umsetzbar?

Jean Asselborn: Erstens, müssen auf EU-Ebene der Ministerrat und das Parlament den Migrationspakt umsetzen. Wenn das gelingt, muss auch die Dublin-Regelung wieder eingehalten werden. Es kann nicht sein, dass einige Länder innerhalb der EU entscheiden, dass Dublin für sie keine Gültigkeit mehr hat. Wir brauchen eine europäische Lösung. Zweitens, wenn der Pakt stehen würde, brauchen wir breiter aufgestellte Abkommen mit Drittstaaten. Dabei darf es nicht nur um Flüchtlingsfragen gehen, sondern auch um politische und wirtschaftliche Perspektiven. Problematisch ist der Deal mit Tunesien, das die Rechte der Migranten aus den Subsahara-Ländern nicht berücksichtigt. An solche Länder können keine EU-Gelder fließen.

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