Interview de Jean Asselborn avec le SWR

"(...)Das Vertrauen liegt in Scherben zwischen der Europäischen Union und Griechenland"

Interview: SWR (Rudolf Geissler)

Jean Asselborn: Also ich bin nicht schrecklich überrascht darüber. Man muss wissen, dass Herr Tsipras in Griechenland weiterhin sehr beliebt ist, und dass natürlich auch viele die Nein gesagt haben in Griechenland nicht gegen die Europäische Union sind, sondern eben glauben dass die Verhandlungsbasis dadurch verbessert würde, was ja auch Herr Tsipras gesagt hat.

Aber man darf nicht vergessen, Herr Geissler, dass auch 90% der Griechen für den Euro sind. An diesem selben Tag wurden sie befragt darüber – nicht per Referendum – und das ist die Meinung, die zurückgegeben wurde. Und das darf man nicht vergessen.

SWR: Es gab allerdings vor diesem Referendum sehr viele Stimmen aus der EU, die davor gewarnt haben, dass ein "Nein" auch die Mitgliedschaft in der Eurozone ernsthaft in Frage stellt. Ist denn der berüchtigte Grexit zu vermeiden nach Lage der Dinge?

Jean Asselborn: Also das ist ja das Ziel. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Ziel ist zu einem, wie Sie sagen, Grexit hinzuarbeiten. Denn das hiesse ja, dass vom Zug der Eurozone das schwächste Glied abgehängt oder abgekuppelt würde. Automatisch käme dann wieder Druck auf das schwächste Glied, was dann der schwächste Wagen am Zug wäre. Das muss man – glaube ich – vermeiden.

Das zweite ist, dass das unhaltbar wäre. Es werden sehr, sehr dramatische – noch dramatischere – Verhältnisse in Griechenland geschaffen, zum Beispiel bei der Einführung der Drachme. Man könnte damit rechnen, dass 40% bis 60% abgewertet würde, dass die Importe praktisch unmöglich würden in Griechenland, und dass eigentlich sehr, sehr große, noch viel größere Not ausbrechen würde. Das müssen wir also verhindern. Das ist die Aufgabe der gesamten Europäischen Union, und selbstverständlich auch der Eurozone.

SWR: Das Votum gilt allerdings als Absage an die Austeritätspolitik. Und ich sehe in Brüssel im Moment wenig Neigung von dem was zuletzt an Sparvorhaben und -vorgaben ausgehandelt wurde, abzurücken. Oder welche Anhaltspunkte haben Sie dafür, dass es diese Bereitschaft vielleicht doch gibt?

Jean Asselborn: Ich glaube dass auch Tsipras und Varoufakis eingesehen haben gestern – trotz ihrem Sieg – dass weder China noch Russland Ansprechpartner und Geldbeschaffer sind. Das ist einzig und allein die Europäische Union.

Ich bin mit Ihnen einverstanden, das Vertrauen liegt in Scherben zwischen der Europäischen Union und Griechenland. Varoufakis der verwechselt ja Berlin und Paris mit Kobane und Mossul, das ist ganz schlimm. Mit dieser Einstellung geht es nicht.

SWR: Sie meinen das Zitat mit dem Terrorismus.

Jean Asselborn: Ja, klar. Das heißt, meines Erachtens muss Tsipras jetzt wissen, dass es nur einen Weg gibt, ohne zu zocken, ohne dauernd zu reizen, um schnell, schnell auf Basis des zweiten Hilfsprogramms – was ja ausgelaufen ist, was man nicht wieder zurücknehmen kann – ein drittes auszuarbeiten, und dazu zu stehen. Die Vorarbeit ist gemacht.

Und das ist – glaube ich – das Wichtigste, dass die Europäische Zentralbank dadurch überzeugt wird mit den ELA’s.

SWR: Notfallkrediten.

Jean Asselborn: Auch die Notfallkredite wieder aufzunehmen. Ansonsten bricht das Bankensystem in Griechenland zusammen, und es kommt zu einer Revolte.

SWR: Aus Athen ist zu hören, dass Tsipras seinerseits durchaus noch bei der einen oder anderen Sparvorgabe mit sich reden liesse.

Herr Asselborn, wenn denn seine offensichtlich wichtigste Forderung erfüllt wird, nämlich die nach einem Schuldenschnitt, einem Teilerlass, unterstützen Sie Ihn da als luxemburgische Ratspräsidentschaft?

Jean Asselborn: Also das ist nicht an mir das zu entscheiden. Ich glaube da gibt es Spezialisten, und es gibt vor allem auch die Finanzminister.

Was ich weiss ist, dass in den letzten Wochen auch nachgedacht wurde wie man über eine Restrukturierung der Schuld reden könnte. Sie wissen ja dass es beim IWF und bei der EZB gar nicht geht gemäss den Statuten und den Gesetzen, dass hier ein Schuldenschnitt stattfindet.

SWR: Ja, nur beim EFSF-Rettungsschirm wäre es möglich.

Jean Asselborn: Beim EFSF-Rettungsschirm wäre es möglich, und natürlich auch bei den Staaten. Aber das ist eine Entscheidung die – glaube ich – nur ganz am Ende getroffen werden kann, wenn sie überhaupt getroffen werden wird. Vorher muss der Wille bestehen, und die Reformen, und die Auflagen, die eigentlich notwendig sind, damit Griechenland ja eigentlich wegkommt vom Tropfen der ELA‘s, und dass Griechenland sich wieder auf ein Ziel zubewegt, wo es selbstständig leben kann. Und, Herr Geissler, ich glaube, diese Schritte müssen gemacht werden bevor man über eine Umstrukturierung überhaupt reden kann.

SWR: Okay, aber wenn Sie sagen, es ist schon nachgedacht worden über diese Frage, dann scheint doch die Front der Eurostaaten, von der immerzu die Rede ist, keineswegs so geschlossen zu sein in Sachen Griechenland, wie uns hier in Deutschland immer wieder glauben gemacht wird. Würde denn nach Ihrem Eindruck eine Mehrheit im Rat heute schon einen Schuldenschnitt mittragen?

Jean Asselborn: Herr Geissler, es ist ganz einfach. Wenn es zum Grexit kommt, wenn der Euro in Griechenland nicht mehr hält, dann muss man davon ausgehen, dass es ein 100%iger Haircut ist. Denn dann ist alles verloren, dann ist es so. Aber wenn man das aber verhindern will, dann glaube ich, gibt es noch einen Weg, um ganz zum Schluss darüber nachzudenken wie man das verhindern kann, auch durch eine Umstrukturierung der Schuld. So einfach ist es, und auch so kompliziert natürlich.

SWR: Könnte man die Laufzeit verlängern, oder was denken Sie da, und was denken Sie darüber?

Jean Asselborn: Hier muss man auch, die Griechen brauchen erst Zinsen zu zahlen nach 2022. Und die Schuld ist auf 30 Jahre verteilt. Das ist die Schuld von der Regling-Behörde und von den Staaten. Natürlich es geht ja darum die Schuld, die beim IWF ist, und bei der Europäischen Zentralbank, in den Griff zu bekommen. Das ist worauf gearbeitet werden könnte –

SWR: Dass der Rettungsschirm das übernimmt?

Jean Asselborn: - wenn wir es zuerst fertigbringen würden, sagen wir einmal, in der Substanz mit den Griechen dieses Programm – was notwendig ist – aufzubauen.

SWR: Das ist schon klar. Aber Sie meinen eben dass die Schulden von IWF und EZB möglicherweise vom Rettungsschirm übernommen werden. Sehen Sie da eine Mehrheit?

Jean Asselborn: Das ist genau das, was ich jetzt gesagt habe. Wenn das nicht der Fall ist, und Griechenland kann nicht im Euro bleiben, oder wird aus dem Euro indirekt hinausgestossen, dann kommt es zu einem 100%igen Haircut. Ich glaube das sollte man sich selbstverständlich vor Augen führen. Das sind ja gescheitere Leute als ich, die das schon angefangen haben zu diskutieren beim zweiten Hilfspaket.

SWR: Ob die gescheiter sind als Sie, das will ich noch einmal hingestellt sein lassen. Vielen Dank für das Interview!

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