Jean Asselborn zum Thema "Modell Luxemburg" im SR Fernsehen

"Ein hoher Verantwortlicher der OECD war vor ein paar Wochen in Luxemburg und hat gesagt, dass Luxemburg sehr konstruktiv mitarbeitet."

Interview: Saartalk (Norbert Klein und Peter Stefan Herbst)

Saartalk: Guten Abend meine Damen und Herren. Willkommen zum Saartalk. Heute nicht aus unserem schönen Studio auf dem Hallberg sondern aus dem noch schöneren Raum des luxemburgischen Außenministeriums. Weil unser Gesprächspartner ist der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn. Guten Abend.

Jean Asselborn: Guten Abend.

Saartalk: Herr Asselborn, der Jahresbeginn wurde überschattet durch das Terrorattentat auf die Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo in Paris. Wie haben Sie davon erfahren? Wie waren Ihre ersten Reaktionen?

Jean Asselborn: Man weiß ja immer wo man beim 9/11 war. Das hier werde ich auch nie vergessen. Am 9. Januar, hatte ich einige Tage Urlaub und war mit dem Fahrrad unterwegs mit 2 Freunden. Ich habe dann um 11 Uhr von Toten bei Charlie Hebdo gehört. Und die Stimmung von uns 3 ist gekippt. Wir wussten es ist etwas geschehen. Ein Attentat gegen die Werte Europas, gegen die Pressefreiheit und wir wussten also auch ganz, ganz sofort dass Frankreich sich erheben würde und sich nicht biegen lassen würde. Das hat Präsident Hollande ja auch gemacht. Und ich glaube das sind Momente – wenn man auch gestern die Bilder gesehen hat aus Paris – wo nicht nur die Autoritäten sondern ein ganzes Volk sich wehrt gegen solche bestialischen Barbareiattacken und aufsteht. Das ist schon ein Zeichen, glaube ich, das sehr stark ist für die Verteidigung unserer Werte.

Saartalk: Ist diese Form, des islamischen Terrors, ist das was spezifisch französisches? Oder kann das auch in Deutschland oder auch in Luxemburg auftreten?

Jean Asselborn: Also, Luxemburg ist ein kleines Land. Wenn in Paris etwas geschieht oder Berlin, hat das eine andere Tragweite als in Luxemburg. Aber selbstverständlich sind wir nicht verschont. Paris, Charlie Hebdo es ist effektiv zuerst eine Attacke gegen die Pressefreiheit und es hat sich ja im Laufe der Jahre irgendwie angekündigt, dass es so kommen würde – dass wirklich Blut vergossen wird von Menschen, denen man eigentlich nicht zutraut, dass sie fähig sind so etwas zu machen. Das ist natürlich eine Konsequenz die man nicht erwartet hätte. Aber ich kann mich erinnern, 2006 als das in Dänemark losging, dass Charlie Hebdo direkt ja auch diese Cartoons gedruckt hat und dass die Anschläge angekündigt wurden. Die sind leider jetzt ausgeführt worden. Ich bin überzeugt, dass das nicht allein auf Frankreich zugeschnitten ist. Sagen wir mal bei allem Negativen, erfreut es mich trotzdem, dass es zum ersten Mal ist, glaube ich in der Geschichte, dass Länder wie Saudi Arabien, wie der Iran, wie die arabische Liga, die Länder der islamischen Welt sich dagegen gewehrt haben und das ist auch das wichtigste. Hollande hat zurecht gesagt – wir sagen dass ja auch immer als Politiker – dass dieser Terror nichts mit dem Islam zu tun hat. Das sind 2 Sachen. Das eine ist effektiv darf man diese Pauschalisierung, diesen Amalgam nicht tun, denn sonst verschlimmert man das noch alles. Zweitens ist es aber auch ein Aufruf genau an die Leader des Islam – an die Leader dieser islamischen Länder – zu reagieren meines Erachtens. Gestern waren mehr als eine Million Menschen auf der Straße, allein in Paris. In vielen anderen Städten auch Hunderttausende und ich glaube, dass Millionen, wenn nicht Milliarden, das gesehen haben aus Paris. Aber was wichtig wäre wenn von der muselmanischen Gemeinschaft auch eine große Demonstration organisiert würde wo die Moslems, wo die Menschen des Islam aufstehen und sagen, „nein wir haben nichts damit zu tun. Allah hat nicht aufgerufen Menschen zu morden. Allah muss nicht gerächt werden mit Kalaschnikows.“ Das, glaube ich, hat man in den letzten 10 Jahren ein wenig vermisst. In der Politik aber auch auf der Straße müssen die Moslems hier aktiver werden und zeigen dass sie wirklich sich differenzieren, auch auf der Straße differenzieren, von diesen Machenschaften.

Saartalk: In Deutschland ist unmittelbar, nach den Anschlägen in Paris wieder eine neue Diskussion über verschärfte Sicherheitsgesetze entbrannt. Was halten Sie davon? Braucht Europa schärfere Gesetze? Gibt’s eine solche Diskussion wie in Deutschland auch in Luxemburg

Jean Asselborn: Ich glaube ganz allgemein, nicht auf Deutschland oder auf unser Land jetzt bezogen dass die Gesetze da sind. Es sind genügend Gesetze da die man selbstverständlich dann auch einhalten muss. Es fehlt nicht daran. Es wäre eine falsche Diskussion zu glauben, dass man mit neuen Gesetzen jetzt hier gegenwirken kann. Aber ich sage noch einmal, jede Resolution des Sicherheitsrats, jedes nationale Gesetz ist machtlos wenn nicht von denen die Einfluss haben im Islam, hier gegen gesteuert wird. Ganz hart, scharf und sehr kantig gegengesteuert wird. Das ist die Herausforderung. Wenn unsere Gesellschaft, das haben wir ja auch gesehen nach 9/11, auf eine Schiene kommt wo die Demokratie eigentlich eingeschränkt wird, wo die Sicherheit über alles zählt und wo nur noch Sicherheitsempfindungen da sind, dann brechen wir ja unsere Zivilisation und den Gefallen darf man diesen Menschen, die mit Kalaschnikows vorgehen, und auch den Hasspredigern nicht machen. 

Saartalk: Sie haben vorher gesagt, man muss diese ganzen Strömungen also sehr differenziert wahrnehmen, also nicht pauschal Urteile fällen. Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund die Islamfeindlichkeit. Vor allem auch die Pegida Proteste in Deutschland.

Jean Asselborn: Ja, also soviel ich weiß – und ich habe mit Frank Steinmeier darüber gesprochen – sind die Urheber dieser Pegida Bewegung sehr nahe an der Xenophobie, an der Fremdenfeindlichkeit. Sogar am Nationalismus und noch weiter. Es sind Leute die auch Nazi-Parolen gebrauchen. Ich sage jetzt nicht 18.000 Menschen in Dresden auf der Straße seien Nazis. Das sage ich nicht. Ich habe nicht ich das Recht das zu sagen. Aber bewusst wird hier Angst gemacht und das ist einfach Angst schüren. Es werden Fragen gestellt aber keine Antworten gegeben. Wenn sie, um von Pegida ein wenig weg zu kommen, allgemein in Europa, wenn sie in Europa einen maghrebinischen Namen haben oder einen arabischen Namen haben, wenn sie in Paris in einem gewissen Stadtteil wohnen und die besten Studien gemacht haben, haben sie viel mehr Schwierigkeiten eine Arbeitsstelle zu finden als wenn sie, sagen wir mal von einer anderen Hautfarbe sind oder andere Namen haben. Das stimmt. Und wenn man jetzt fokussiert, wenn man dividiert, wenn man diese Menschen, diese Gemeinschaft, die es schon sehr schwer hat, ausstößt, wird das Problem noch viel schlimmer.

Saartalk: Sie haben einen temperamentvollen luxemburgischen Außenminister erlebt. Jetzt noch einige Stichworte zu seiner Biographie.

Reportage: Jean Asselborn, seit über 10 Jahren Außenminister von Luxemburg. Und damit dienstältester Amtskollege der EU und enger Freund von Frank Walter Steinmeier. Gefragt ist er aber auch bei den Medien. Er gilt als kooperativ und Freund des klaren Wortes. Dafür hat ihn die saarländische Presse vor Weihnachten mit der goldenen Ente ausgezeichnet. Trotz der Luxemburg Leaks die, die enormen Steuertricks in seinem Land offen legten. Auch danach scheut er den Kontakt zu den Journalisten nicht und gelobt Besserung. Steuerminderungen in Milliardenhöhe wolle Luxemburg in Zukunft unterbinden. Abschalten kann er am besten auf dem Rennrad. Auch mit 65 kommt er auf gut 12.000 km im Jahr. Wie lang will er sich noch so abstrampeln?

Saartalk: Nach dem Bekanntwerden von unmoralischen Steuersätzen von unter 1% haben Sie in Deutschland dem Spiegel gesagt, dass die Zeit vorbei ist für dieses Modell von Luxemburg, dass man nicht mehr mit solchen Konzernen zusammen arbeiten wird. Und dass diese Tricksereien aufhören. Jetzt haben ja viele in Luxemburg davon in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten profitiert. Wie viel Gegenwind mussten Sie einstecken?

Jean Asselborn: Sehr wenig bezahlen, das ist ja nicht weil die Steuern so niedrig sind, sondern das ist weil die Assiette, der Teller auf dem besteuert wird, immer kleiner geworden ist. Das ist ein System gewesen was nicht nur in Luxemburg funktioniert hat. Wir haben in der Regierung gleich gesagt, auch im Parlament, dass wir bereit sind mit der OECD in Paris zusammen zu arbeiten. Ein hoher Verantwortlicher der OECD war vor ein paar Wochen in Luxemburg und hat gesagt,  dass Luxemburg sehr konstruktiv mitarbeitet. Zweitens sind wir bereit für alle Bemühungen die gemacht werden von der europäischen Kommission. Kommissar Moscovici ist ja beauftragt hier eine europäische Direktive auszuarbeiten, die wir unterstützen und wo wir aktiv mitarbeiten. Wissen Sie, der Luxemburger Finanzplatz der hat gezeigt nachdem das Bankgeheimnis in einer ersten Phase verbessert wurde, das die Kompetenz überwiegt und dass dieser Bankplatz seinen Sinn und seine Kompetenz, und auch eine Zukunft hat. Das werden wir auch tun mit den Rulings. Ich will nur sagen, das war fokussiert auf unser Land, aber wenn Sie auch journalistisch ehrlich sind, müssen Sie wissen, dass das ja in 22, oder 23 Ländern der europäischen Union praktiziert wurde, diese Rulings  – was ja in sich nichts schlechtes ist. Mit dem Ruling-System zeigt man den Betrieben vorab wie viel Steuern sie zu zahlen haben und wann sie sie zu zahlen haben. Dass Exzesse geschehen sind, auch in Luxemburg, das habe ich gesagt, dazu stehe ich. Das weiß auch jeder und wir müssen jetzt versuchen wirklich in dem europäischen Kontext – und darüber hinaus im Kontext der OECD – Lösungen zu finden wo wirklich die Gewinne die gemacht werden auch besteuert werden und die Allgemeinheit davon profitieren wird.

Saartalk: Vor diesem Hintergrund stand ja auch Jean-Claude Juncker jetzt unter Beschuss. War er eigentlich der Autor dieses Geschäftsmodells? Oder war das eine Geschichte die die gesamte luxemburgische Regierung, das Parlament getragen hat.

Jean Asselborn: Ich glaube, da stand kein Kopf und auch keine Regierung dahinter. Das sind Konstruktionen gewesen, basierend auf Gesetzen. Wir sind ja immerhin im Herzen Europas. Luxemburg kann ja keine unmoralischen und illegalen Gesetze in seinem Parlament votieren lassen ohne dass das Konsequenzen gehabt hätte. Das war also regulär. Und ich sage noch einmal, alles was regulär ist, was legal ist, selbstverständlich kann oder muss nicht unbedingt legitim sein. Und darauf setzen wir jetzt. Ich glaube nicht, dass ein Kopf, oder eine Regierung, dahinter stand. Das hat sich entwickelt in Luxemburg, so wie in anderen Ländern in den letzten, 10, 20 Jahren. Ich bin in der Sache total mit Ihnen einverstanden, dass wir in Europa Systeme brauchen, die transparent sind und wo, wie ich gesagt habe, Betriebe die Steuern zu zahlen haben, auch Steuern zahlen.

Saartalk: Sie haben das schon mal etwas humorvoll versucht so zu formulieren. Es sei ein kleines Land, man habe nicht so viel Platz für viele Häuser aber für viele Briefkästen. Das klingt ja auch ein bisschen beschwichtigend. Die Verärgerung in Europa über Luxemburg ist immer noch groß. Luxemburger galten als Muster-Europäer. Können Sie diese große Enttäuschung die nach dem Bekanntwerden entstanden ist, können Sie die verstehen in anderen Ländern?

Jean Asselborn: Ja, ich glaube wir sind durch diese journalistische Arbeit – die ich absolut nicht kritisiere – in den Fokus geraten. Luxemburg war das Symbol dieser Steuermachenschaften, was zum Teil richtig ist, zum Teil aber auch nicht richtig ist. Ich glaube das habe ich Ihnen erklärt. Das Problem ist glaube ich ­– wenn wir in die Zukunft schauen – dass unser Finanzplatz zeigen muss, dass dieser Platz kompetent ist, dass er ehrbare Arbeit machen kann, dass er wichtige Arbeit machen kann. Denn Sie wissen ja, die Wirtschaft funktioniert nicht ohne Banken. Und es ist nicht unehrenvoll, dass ein Land ein Bankplatz wird. Wenn Sie mir eine halbe Minute geben: wir waren ein Agrarstaat, wir sind dann ein Industriestaat geworden und wir sind nach dem Industriestaat ein Finanzplatz geworden. Das ist nichts Anrüchiges. Es gibt noch andere Finanzplätze auf der Welt. Die heißen London, die heißen New York und so weiter. Wir als Luxemburger wissen haargenau, dass wir nicht die breiten Schultern haben um gegen die Welt anzugehen und das wollen wir auch nicht. Ich glaube jeder dass jede politische Partei, das Parlament, die Regierung, uns einig sind, dass wollen eine Lösung finden wir was die Transparenz angeht auf dem Niveau der europäischen Union und auch der OECD. Was die vielen Firmenschilder angeht. Da müssen Sie aufpassen. Das hat nicht viel damit zu tun. Wir waren die ersten die in den 80er Jahren eine Direktive umgesetzt haben in Sachen Fond Industrie. Das hätte auch Deutschland sein können, das hätte Belgien sein können oder ein anderes europäisches Land und diese Fond Industrie hat sich in Luxemburg zu einem Platz in der Welt herauf gearbeitet wo wir Nummer 2 sind, nach New York. Und diese Fonds haben nicht alle Paläste hier in Luxemburg. Die haben Adressen in Luxemburg und ich will das nicht wiederholen, was ich einmal gesagt habe, mit Frau Wagenknecht – die mich ein wenig dahin gezogen hat. Ich habe dann geantwortet, wie ein Luxemburger manchmal antwortet, denn unsere Mentalität ist beherrscht von unserer Ungröße. Und wenn man in einer nicht allzu großen Macht lebt, dann hat man Reflexe die dann in diese Richtung gehen. Das ist nicht um zu beschwichtigen, sondern das ist eher um zu zeigen, dass das ganze Ruling System – wenn wir das erfunden hätten, Luxemburg allein – und wir hätten ein Patent allein darauf gehabt; da können Sie sich aber glaube ich vorstellen, dass das nicht möglich gewesen wäre. 

Saartalk: Sie sind ja als luxemburgischer Außenminister quasi auch der Chef-Diplomat dieses Land. Aus dieser Perspektive betrachtet, hat die ganze Angelegenheit Ihrem Land geschadet?

Jean Asselborn: Also ich würde jetzt lügen wenn ich sage, das sei spurlos an uns vorüber gegangen. Es hat geschadet und wir müssen den Schaden damit beheben, indem wir wirklich alles machen, damit wir in eine europäische Richtung und in eine Richtung der OECD gehen. Und wenn man sieht – das war 2008 dasselbe als wir nach der Finanzkrise auf diesen grauen Listen waren – dass wir sehr, sehr schnell gefunkt haben. Wir haben 2009, am 13. März – ich weiß noch genau den Tag –zugestimmt mit der Schweiz, mit anderen, dass wir auf Abruf Informationen über Konten in Luxemburg geben. Es ist also eine Entwicklung die sich durchgezogen hat. Ich kann mich erinnern, dass Menschen die vor mir in der Politik waren und auch auf dem Finanzplatz waren, gesagt haben dass wenn einmal in Luxemburg das Bankgeheimnis fällt, dann fällt alles zusammen. Wir haben ja auch eine Verantwortung hier in Luxemburg, damit wir einen Bankplatz haben, einen Finanzplatz haben, der attraktiv bleibt. Wir haben 160.000 Grenzgänger die jeden Tag morgens um 8 in Luxemburg sind und abends um 6 Uhr wieder nach Hause fahren. Aus Deutschland, ich glaube mehr als 40.000, aus dem Saarland und Rheinland-Pfalz. 80-90.000 aus Frankreich und auch noch 10.000 aus Belgien die zu uns kommen. Wir sind stolz darauf, dass wir diese Arbeit anbieten können und wir wollen auch, dass dieser Finanzplatz in geordneten Verhältnissen selbstverständlich und auch transparent in der Zukunft funktioniert.

Saartalk: Lassen Sie uns von dem für Sie schwierigen und nicht ganz einfachen Thema zu einem anderen Problem kommen was die Grossregion auch beschäftigt. Wenige Kilometer von hier entfernt, steht auf französischer Seite ein Atomkraftwerk, das Kraftwerk in Cattenom. Sie haben sich in der Vergangenheit mehrfach dafür stark gemacht die Sicherheitsauflagen zu verschärfen. Cattenom komplett abzustellen. Nehmen Sie mittlerweile Signale aus Frankreich war, dass da ein Ende des Problems in Sicht ist, oder hat sich eigentlich nichts verändert die letzten Jahre trotz aller Proteste?

Jean Asselborn: Also um ehrlich zu sein, glaube ich nicht, dass die Franzosen sehr schnell Cattenom schließen werden. Ich war mit einer Delegation aus Luxemburg bei der Umweltministerin, vor 2 Jahren, unter der Präsidentschaft von François Hollande. Sie wissen dass Fessenheim, zum Beispiel geschlossen werden soll. Aber Cattenom war leider nicht auf dieser Liste. Jetzt sollte, glaube ich noch ein Versuch gemacht werden, damit man wirklich nicht nur aus der Grossregion, sondern auch aus Berlin sagt, dass wenn etwas in Cattenom geschieht – was an der Grenze eben zu Luxemburg, zum Saarland, zu Rheinland-Pfalz, Belgien ist – dass man hier alles tun muss, wenn nicht abgeschaltet wird, dass die Sicherheitsvorkehrungen sehr, sehr effizient sind. Lassen Sie mich noch einen Satz sagen. Wir haben ja jetzt die Drohnen Frage auch gehabt über Cattenom. Ich habe auch mit Präsident Hollande darüber gesprochen. Das ist etwas was man sehr ernst nehmen muss­ –  sehr, sehr ernst. Und wir können ja nicht  – weder das Saarland noch Luxemburg – den Krieg erklären nach Paris. Aber wir müssen daran bleiben, wir müssen wirklich alles tun gegen die potentielle Gefahr die aus Cattenom ausgehen kann, und dass die Franzosen damit nicht das abtun, sondern dass wir immer wieder auf ihre Frage hinweisen um wenigstens die möglichst größte Sicherheit haben, die zu haben ist.

Saartalk: Über den Finanzplatz Luxemburg haben wir bereits gesprochen. In der Finanzpolitik ist ein Problem, das Europa leider bekannt ist, nochmal zurückgekommen. Nämlich die Frage der Finanzkrise. Und da stellt sich unter anderem im Zusammenhang mit Griechenland, die Frage ob dann dieses Land aus der Währungsunion aussteigen sollte.

Reportage: Soll Griechenland im Euro-Verbund bleiben oder kann sich das Land mit seiner alten Währung der Drachme, besser selbst retten? An Weihnachten hat die Bundeskanzlerin einen Euro-Ausstieg Griechenlands angeblich für möglich gehalten. Inzwischen klingt das wieder vorsichtiger. Würde der Ausstieg dem Euro und Europa doch mehr ins Wanken bringen als manche behaupten. Die von außen verhandelte radikale Sparpolitik hat vor allem die kleinen Leute getroffen aber die Schulden noch weiter nach oben getrieben Auf schätzungsweise 250 Milliarden Euro. Wie soll das jemals zurück bezahlt werden. Gehen in Athen die Lichter aus oder gibt es noch einen anderen Ausweg aus der Krise die sich immer noch durch ganz Südeuropa frisst?

Saartalk: Herr Asselborn, was würde dann ein Ausstieg von Griechenland aus dem Euro bedeuten? Wie gefährlich wäre das für Europa?

Jean Asselborn: Sie stellen eine falsche Frage, wenn ich mir das erlauben darf. In Griechenland sind Wahlen. Das ist die Sache der Griechen. Die europäische Union hat große, große Solidarität mit Griechenland gezeigt. Über 240 Milliarden, direkt oder indirekt sind nach Griechenland geflossen, sonst wäre Griechenland, nicht nur finanzpolitisch sondern vielleicht sogar politisch, sehr, sehr am Ende gewesen. So, jetzt sind diese Wahlen und ich glaube, Sie erlauben mir als Luxemburger, dass man vor allem in deutscher Sprache etwas zurückhalten muss. Ich spreche auch jetzt deutsch und daher mache ich das auch. Da gibt es Vorgeschichten und da soll man nichts provozieren. In Griechenland, was Sache ist, wurden alle den Schwächeren in der Gesellschaft, die vom Staat Zuwendungen bekamen, der Anteil geschnitten. Die aber, die dem Staat, sagen wir mal helfen müssen Steuern zu zahlen, die Reichen, da bin ich mir nicht sicher, dass das geschehen ist. Darum ist es eine Debatte, glaube ich, zu allererst in Griechenland, ob man eine bessere soziale Ausgewogenheit nicht hinbekommen kann. Es gibt Verträge, es gibt Regeln, die hat jede griechische Regierung selbstverständlich einzuhalten. Das ist klar. Aber lassen wir die Griechen, griechisch abstimmen. Danach wird Griechenland eine Regierung haben und diese Regierung wird selbstverständlich mit der europäischen Union – das geht ja nicht ohne die europäische Union – reden müssen. Diese Regierung wird auch mit dem internationalen Währungsfond reden müssen und so weiter. Darum, also es gibt Fälle in Europa wo man sehr erleichtert ist wo der eine oder andere gewinnt. Ich kenne so einen Fall. Wir waren alle froh, dass Berlusconi nicht mehr bunga-bungiert in Italien. Aber jetzt Griechenland, ich glaube dass die Regierung die da ist, die Opposition die da ist, dass die kämpfen auch für den innenpolitischen Kurs und da sollte man sehr aufmerksam Zuschauer sein aber nicht unbedingt ein aktiver Eingreifer. Es gibt Möglichkeiten in der politischen Familie einzugreifen. In jedem Wahlkampf in Europa, denn wir sind ja eine Union. Aber dass Regierungen sich die Freiheit nehmen um zu sagen was geschähe wenn. Und vor allem wenn das, ich sage es noch einmal, in deutscher Sprache geschieht, dann kann das genau das Gegenteil von dem provozieren von dem was man vielleicht will.

Saartalk: Also wir gehen davon aus, dass Frau Merkel diese Sendung sehr deutlich verfolgen wird und sich dann auch bei Ihnen melden wird.

Jean Asselborn: Ich habe Madame Merkel nicht angegriffen, ich habe nur meine Wahrheit gesagt.

Saartalk: Nach dem Getöse im Wahlkampf, wer auch immer gewinnen wird, steht ja die Frage eines neuen Schuldenschnitts an in Griechenland. Für wie problematisch halten Sie das, auch noch mal im Hinblick auf das Verbleiben in der Eurozone. 

Jean Asselborn: Also, ich verstehe Sie, dass Sie journalistisch immer einen Schritt voraus sind. Aber ich glaube nicht, dass Ihre Aussage, dass ein Schuldenschnitt bevorsteht, richtig ist. Wissen Sie, diese 240 Milliarden, das sind ja öffentliche Gelder, das sind Steuergelder, die kann man nicht mit Schuldenschnitten einfach wegtun. Ich bin überzeugt, dass in Griechenland – wo ja verschiedene Ansätze in die richtige Richtung gehen, aber seit einem Jahr unter der Regierung Samaras ein leichter Stillstand zu verzeichnen war –  dass mit einer neuen Regierung auch wieder in die richtige Richtung gearbeitet werden kann. Ich bin mir nicht sicher, dass wenn Aussagen gemacht werden wie  „wir vertragen jetzt einen Austritt Griechenlands aus dem Euro, das wird den Euro nicht schwächen“ und solche Geschichten, das ist schlecht. A), weil damit die europäische Solidarität, die Solidarität der Eurozone sehr stark gebrochen wäre und B) wenn man das sagt, für Griechenland dann kommen Leute auch auf Ideen um das in anderen Ländern zu sagen. Wir sollen uns wirklich, das ist meine Meinung, journalistisch und politisch, da zurück halten.

Saartalk: Gut. Zurückhaltung würden wir aber ausdrücklich von Ihnen jetzt nicht einfordern. Sondern wir würden Ihnen Halbsätze vorgeben, die Sie bitte ganz spontan und schnell vervollständigen. Ihr erster Halbsatz lautet: Mit Charlie Hebdo verbindet mich…

Jean Asselborn: Sehr viel Sympathie.

Saartalk: Die immer stärker werdende Islamfeindlichkeit in Europa ist…

Jean Asselborn: Falsch.

Saartalk: Die Steuersätze von unter 1% in Luxemburg waren…

Jean Asselborn: Haben wir nie gehabt.

Saartalk: Luxemburg Leaks macht die Arbeit von Jean-Claude Juncker…

Jean Asselborn: Einfacher. Denn er weiß wohin er gehen muss.

Saartalk: Das Atomkraftwerk in Cattenom sollte…

Jean Asselborn: Für alle Luxemburger, für alle Saarländer geschlossen werden.

Saartalk: Angela Merkel schätze ich...

Jean Asselborn: Dass sie mit beiden Füssen auf dem Boden steht, dass sie ihre Emotionen sehr gut unter Kontrolle hat, dass vielleicht manchmal der Eindruck entsteht sie wäre zu rational zu hart in der Politik. Ich glaube, dass Angela Merkel nach Bouville verstanden hat, dass viele auf sie zählen. Sie ist die Repräsentantin des größten Landes in der europäischen Union. Dass das Duo mit Frankreich selbstverständlich funktionieren muss aber auch so funktionieren muss, dass alle anderen rund um den Tisch auch mitarbeiten können.

Saartalk: Das Saarland ist…

Jean Asselborn: Das war aber etwas lang.

Saartalk: Dafür jetzt nochmal kurz. Das Saarland ist…

Jean Asselborn: Aber ich bin ja nicht für oder gegen Angela Merkel. Ich bin ja nur ein kleiner Luxemburger. 

Saartalk: Dann sagen Sie was zum kleinen Saarland. Das Saarland ist…

Jean Asselborn: Das Saarland ist ein sehr guter Nachbar.

Saartalk: Herr Asselborn, herzlichen Dank für dieses Gespräch. Meine Damen und Herren, damit verabschieden wir uns aus dem luxemburgischen Außenministerium. Schönen Dank, dass Sie bei uns waren im Saartalk.




























 




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