Jean Asselborn in Bezug auf die Situation in Gaza

"Die Palästinenser müssen eine Chance bekommen wirklich leben zu können, zu existieren anstatt zu vegetieren"

Interview vum Michael Götschenberg (MDR):

Guten Morgen Herr Asselborn.

Jean Asselborn: Guten Morgen Herr Götschenberg.

Michael Götschenberg: Wer ist denn in diesem Konflikt im Nahen Osten Ihrer Meinung nach nun am ehesten gefragt um einzulenken, Israel oder vielleicht doch die Hamas?

Jean Asselborn: Also man muss einen Unterschied machen. Israel ist ein Staat, ein Land das in der UNO vertreten ist, mit allen Rechten und Pflichten, während auf der anderen Seite Hamas ja eine Organisation ist – auch mit einem militärischen Arm – der schon sehr viel Leid angerichtet hat, basierend auf der Philosophie der Muslimbrüder.

Und ich glaube, um direkt zur Sache zu kommen, ich glaube dass in Israel ein sehr, sehr fundamentales, radikales Umdenken kommen muss.

Wissen Sie, Palästina braucht einen Staat. Das ist die conditio sine qua non, damit Israel in Sicherheit leben kann. Und die Palästinenser müssen eine Chance bekommen wirklich leben zu können, zu existieren anstatt zu vegetieren.

Die Kerry-Initiative, die ja lanciert wurde im letzten Somme – auf welche die Antwort auch von israelischer Seite eine massive Steigerung der Siedlungspolitik war, die musste zum Abbrechen führen. Und Sie sehen sobald abgebrochen wurde, ist auch wieder Gewalt ins Spiel gekommen.

Und was wir heute sehen in Gaza, ist in meinen Augen unmenschlich. Es ist unerträglich, und muss sehr schnell gestoppt werden. Durch eine Feuerpause, ja, aber danach muss auch ein Schritt kommen, damit, wie Sie sagen, dieser Friedensprozess wieder ernst genommen wird.

Michael Götschenberg: Aber um die Palästinenser zu schützen, müsste man da nicht vielleicht auch eher die Hamas erstmal stoppen?

Jean Asselborn: Nun ich war noch im März in Gaza selbst, habe da die Schulen besucht, der UNRWA, der UNO. Viele dieser Schulen wurden von europäischen Ländern finanziert. Das ist eigentlich das Wesentliche gewesen in Gaza, damit man überhaupt dort leben kann.

Und die Blockade, die jetzt schon 7 Jahre andauert, man muss sich vorstellen was das ist. Das ist ein Territorium, nur 1/7 vom Territorium von Luxemburg, und wir sind ja kein grosses Reich. Auf diesem Territorium leben 1,8 Millionen Menschen unter Perspektivlosigkeit. Jetzt wurde eingegriffen.

Sie haben es angedeutet, die israelische Armee, meines Erachtens – und die Regierung – massen sich da Rechte an die gegen jeden internationalen Standard verstossen. Dass Israel sich schützen muss gegen Hamas – gegen die Raketen – steht ja ausser Frage. Das ist klar. Aber wenn Sie sehen, dass diese Radikalität in Gaza, dass die eigentlich nur darauf zurückzuführen ist dass Hamas da ist, das ist total falsch. Die Menschen leben wie in einem Gefängnis. Und wenn man einmal da drin ist, kommt man überhaupt nicht mehr raus, weder nach Ägypten noch nach Israel. Und diese Blockade muss geöffnet werden.

Auch auf israelischer Seite – in der israelischen Regierung zum Beispiel Tzipi Livni – und auch der deutsche Aussenminister Frank-Walter Steinmeier, da sind wir uns als Europäer alle einig, dass wir nach dieser Feuerpause, wieder etwas machen müssen, damit die Leute auch aus Gaza rauskommen. Zum Beispiel Rafah öffnen – das ist die Grenze zu Ägypte - was 2005 funktioniert hat mit europäischer Hilfe, mit israelischer Hilfe, mit ägyptischer Hilfe.

Das zweite ist natürlich dass man auch es fertig bringt diese Verbrüderung wieder hinzukriegen zwischen Hamas und Fatah. Und hier macht Israel einen Fehler, diese Verbrüderung muss man fördern, nicht blockieren. Damit würde man Hamas ja diese Frontstellung die Hamas hat wegnehmen. Und ich hoffe, dass das nach dieser Feuerpause auch geschehen wird, dass wirklich Wahlen stattfinden können in Palästina –und für mich ist Palästina Ost-Jerusalem, Gaza und die Westbank –  und damit auch die Legitimität der palästinensischen Autorität wieder gestärkt wird.

Michael Götschenberg: Hoffnungen waren das von Jean Asselborn, live am Telefon bei MDR-Info, der Außenminister von Luxemburg. Vielen Dank!

Jean Asselborn: Bitte!

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