Jean Asselborn au sujet des suites du crash d’un avion en Ukraine

"Ich weiß nicht was Moskau will"

Tobias Armbrüster (Deutschlandfunk): In Brüssel kommen heute die Außenminister der Europäischen Union zusammen, um über die Lage in der Ukraine zu beraten und auch über eine mögliche Verschärfung der Sanktionen gegen Moskau. Viele Politiker in Europa sehen einen solchen Schritt als überfällig an, nach dem Abschuss eines Passagierflugzeuges über dem Osten der Ukraine. Allgemein werden dafür in Europa Moskau-treue Separatisten verantwortlich gemacht.

Am Telefon ist jetzt der Außenminister von Luxemburg, Jean Asselborn. Er ist zurzeit in New York und hat dort in der vergangenen Nacht an den Beratungen des Weltsicherheitsrates teilgenommen. Schönen guten Morgen, Herr Asselborn.

Jean Asselborn: Guten Morgen, Herr Armbrüster.

Tobias Armbrüster: Herr Asselborn, macht sich die EU langsam lächerlich in diesem Konflikt?

Jean Asselborn: Ich verstehe Ihre Frage nicht richtig. Sie wissen, dass wir reagiert haben auf das, was bis jetzt geschehen ist in der Ukraine und auf der Krim. Wir haben nicht Russland sanktioniert, wir haben fokussierte, gezielte Sanktionen ergriffen. Ich glaube, die dritte Phase – das heißt, wirtschaftlich-finanzielle Sanktionen – hängt an einem seidenen Faden. Keiner wünscht sie, aber wenn Moskau weiter schwere Waffen in Donbass duldet –das was nach dem 17. Juli geschehen ist – dann sehe ich keinen Ausweg mehr, als dass wir diesen Weg gehen müssen. Das ist traurig, aber wahr.

Tobias Armbrüster: Müssen wir denn nicht sagen, Herr Asselborn, die EU hat viel zu lange gewartet mit wirklich härteren Sanktionen?

Jean Asselborn: Wissen Sie, mit Sanktionen reguliert man ja nicht die Welt und auch nicht zwischen der Europäischen Union und Russland. Wir sind jetzt konfrontiert als internationale Gemeinschaft – und darum bin ich ja auch hier in New York gewesen – mit dem, was geschehen ist am 17. Juli. Das Problem, das man eigentlich herauskristallisieren kann, ist folgendes: Wir haben diese Resolution einstimmig angenommen. Das heißt, Russland ist auch einverstanden – China ist einverstanden – dass wir direkten, ungehinderten Zugang für die Untersuchung erlauben, dass die Leichen übergeben werden, dass die Blackbox ausgehändigt wird und dass auch die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Aber das ist die offizielle Sprache, die von russischer Seite herkommt. Was aber, sagen wir mal, in der Praxis geschieht – und das ist ja auch das Problem, mit dem wir uns in der Europäischen Union auseinanderzusetzen haben, mit Russland im Ukraine-Konflikt – sieht anders aus.

Tobias Armbrüster: Kann man denn mit Putin noch verhandeln?

Jean Asselborn: Putin, das heißt Russland – das ist ja eigentlich dasselbe – macht Erklärungen, die eindeutig in die richtige Richtung zeigen. Er sagt, er, der Präsident Russlands, sei für uneingeschränkte Investigationen. Aber er wendet sich nicht direkt an jene, die dies erwiesenermaßen behindern wollen und auch behindern.

Tobias Armbrüster: Aber ist nicht genau das das Problem, Herr Asselborn? Herr Putin sagt immer genau so viel, wie der Westen hören will, aber macht dann eigentlich doch immer, was er – was der Kreml – eigentlich will.

Jean Asselborn: Ich gebe Ihnen Recht, dass Präsident Putin per Knopfdruck die Separatisten ausschalten könnte, dass er eine Feuerpause garantieren könnte und dass er politische Gespräche anstatt militärischer Aktionen fördern könnte. Das wäre ja auch im Interesse Russlands. Ich weiß nicht – und das ist ja die große Frage, mit der wir uns alle auseinanderzusetzen haben – was Moskau will. Was will Moskau auch mit diesen, zum großen Teil kriminellen, Söldnern? Ist es die Destabilisierung der Ostukraine nach der Annexion der Krim? Ist das wirklich die Machtpolitik, der sich Russland verschrieben hat; auf Gewalt setzen, auf Rechtlosigkeit basierende Mittel? Das macht jede strategische Partnerschaft – die wir ja als Europäische Union mit Russland haben – und jedes normale Verhältnis, das man aufgebaut hat in den letzten zehn Jahren zwischen der Europäischen Union und Russland, natürlich sehr, sehr schwierig, wenn nicht unmöglich. Will Russland dies wirklich? Ich kann mir das eigentlich auch im Interesse von Russland nicht vorstellen, aber hier sind wir. Wissen Sie, im Kalten Krieg hatte man ja – wenn ich das so sagen darf –  zwei Gesellschaftssysteme, die aufeinandergeprallt sind. Hier haben wir, so scheint es jetzt, den Respekt des internationalen Rechts gegen das Recht zur Gewalt. Das sind keine zwei Gesellschaftssysteme, sondern das sind zwei Einstellungen, wo die zweite immer zu Krieg führt, weil das Völkerrecht immer violiert wird.

Tobias Armbrüster: Und können, Herr Asselborn, nicht gerade in einer solchen Rolle härtere Wirtschaftssanktionen – und wir sprechen dann über Stufe III der Sanktionen – können die nicht dann wirklich eine hilfreiche Rolle spielen, einfach um dem Kreml zu zeigen, bis hierher und nicht weiter, das hier ist unsere Position?

Jean Asselborn: Herr Armbrüster, wenn das die Lösung des Problems wäre, dann würde ich sagen, wir hätten das schon früher machen sollen. Aber ich glaube, jetzt nähern wir uns dem Punkt, an dem wir es tun werden. In diesem Fall, der jetzt zur Lösung steht: nämlich wie verhält sich Russland nach dem Abschuss dieses Flugzeuges, wo 300 Menschen sinnlos gestorben sind, wie verhält sich Russland dann? Wenn hier weiter Zweifel bestehen, bin ich überzeugt, dass wir in eine dritte Phase kommen. Und die dritte Phase wird dann heißen: die wirtschaftliche Abhängigkeit von der Europäischen Union zu Russland und auch umgedreht. Ich weiß, dass Russland vielleicht viel mehr von der Europäischen Union abhängt – wirtschaftlich gesehen – als umgedreht. Aber wir wissen auch, welchen Impakt das auf unsere Wirtschaft haben kann, energiepolitisch, aber auch allgemein wirtschaftlich. Ich bin nur nicht überzeugt –ich sage jetzt, was ich spüre – dass auch wenn wir in der dritten Phase sind, wir dann den Schlüssel für eine Lösung zwischen dem Verhältnis zwischen der Europäischen Union und Russland wirklich gefunden haben.

Tobias Armbrüster: Sie haben teilgenommen an den Sitzungen im Weltsicherheitsrat in der vergangenen Nacht zur Lage in der Ukraine. Wie war dort im Sicherheitsrat die Stimmung angesichts der Lage?

Jean Asselborn: Im Sicherheitsrat hat man ganz klar gespürt, dass die Aussagen Russlands zu dieser Resolution – für die sie ja gestimmt haben – schon der richtige Weg sind. Dass aber andererseits Russland keine Größe zeigt – wirklich keine Größe zeigt – wenn es jetzt anfängt, die Ukraine dafür verantwortlich zu machen, weil das Flugzeug zu hoch geflogen wäre, oder weil irgendein Flugzeug in der Nähe gewesen wäre von dem malaysischen Flugzeug. Alles Ablenkungsmanöver. Ich glaube, Russland hätte hier viel, viel, viel gut machen können, wenn es sich distanziert hätte von den Separatisten. Ich bin überzeugt, dass Russland – die russischen Verantwortlichen – wissen, wo das herkommt, wer das getan hat und wer Schuld daran hat. Ich sage nicht, dass Moskau das Flugzeug abgeschossen hat. Todsicher hat auch die Ukraine das Flugzeug nicht abgeschossen. Es sind die Separatisten, die dies gemacht haben, mit großer, großer Wahrscheinlichkeit. Und hier: Es tut mir wirklich leid – wie ich gestern gehört habe – dass Russland nicht den Schritt macht, sich zu distanzieren von den Separatisten. Das wäre der richtige Weg gewesen. Das wäre auch der Schlüssel gewesen, dass man international, auch zwischen der Europäischen Union und Russland, wieder auf ein anderes Verhältnis gekommen wäre.

Tobias Armbrüster: Der Außenminister von Luxemburg, Jean Asselborn, war das bei uns hier in den „Informationen am Morgen". Besten Dank, Herr Asselborn, für das Gespräch.

Jean Asselborn: Bitte, Herr Armbrüster

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