Jean Asselborn au sujet de la situation au Moyen-Orient

"Sie leben in einem großen Gefängnis mit Meeresblick"

Interview von Irina Grabowski (RBB Inforadio):

Jean Asselborn: Sie wissen ja, dass der Palästinenser-Präsident Abbas Ägypten gefragt hat, eine Initiative zu starten. Das hat er gemacht. Die Initiative wird von den USA und auch von Europa unterstützt. Es wurde Zeit, dass Bewegung in diese Sache kommt. Ich nehme auch an, dass in Jerusalem ernsthaft darüber diskutiert wird. Und Frank-Walter Steinmeier – der ja heute in Jerusalem ist – wird natürlich auch werben für diesen ägyptischen Plan und dafür dass er eingehalten wird.

Irina Grabowski: Sie haben den deutschen Außenminister angesprochen, was kann er erreichen, wenn er heute mit Israels Außenminister Lieberman spricht?

 Jean Asselborn: Das ist eine schwere Sache, wenn man Lieberman gut kennt. Ich kenne Frank-Walter Steinmeier. Ich glaube von europäischer Seite müssen wir bei diesen Gesprächen immer wieder den Mut zeigen, dass wir auf die Ursachen, warum aus Gaza Raketen gefeuert werden, zurückkommen.

Die Ursache ist, weil auf einen Zipfel des Territoriums von Luxemburg – und Sie wissen, dass wir kein Riesenreich sind – 1,7 Millionen Menschen leben. 800 000 davon, könnten ohne die UNO, ohne die UNRWA, ohne die Europäische Union, nicht überleben.

Das heißt, die Menschen leben in einer totalen Perspektivlosigkeit. Sie leben in einem großen Gefängnis mit Meeresblick. Aber seit 7 Jahren gibt es diese negative Dynamik und ich würde sagen, dass kein Volk der Welt, ob es Europäer wären oder Asiaten oder Amerikaner, dies ertragen würde. Und das ist die Ursache warum diese angespannte Situation wieder aufgeflaut ist. Und ich bin total einverstanden damit, wie zum Beispiel Avi Primor sagt: „Israel kann sich nicht alle zwei Jahre einen Krieg leisten“. Man muss die tiefe Ursache von Gaza kennen und man muss wieder zurückkommen zu Verhandlungen.  

Irina Grabowski:  Avi Primor, der ehemalige israelische Botschafter in Deutschland. Die israelische Regierung wirft nun den Europäern vor, palestinänserfreundlich zu sein. Die EU hat viel Aufbauhilfe für den Gazastreifen geleistet. Das, so werfen sie nun wieder Israel vor, wird jetzt zerstört. Ist denn Frank-Walter Steinmeier von diesem Vorwurf Israels ausgenommen? Hört man ihm in Israel zu?

Jean Asselborn: Frank-Walter Steinmeier hat ja gesagt, er ist nicht da um Mediateur zu spielen, um zu vermitteln. Er ist da um wirklich eine Stimme der Vernunft aus Europa zu bringen und diese Stimme addiert sich ja zu Obamas Stimme, zu der Stimme von Bank Ki Moon und auch der von uns Europäern allen. Dass eine Waffenruhe eintreten muss, das ist die erste Kondition. Und die zweite Kondition ist, dass man wieder zu Gesprächen kommt.

Es ist ein Vakuum entstanden, Ende April dieses Jahres, dadurch dass die Verhandlungen abgebrochen wurden mit den Palästinensern. Das war zum ganz großen Teil die Schuld der israelischen Regierung – das muss man so einsehen – denn die Siedlungspolitik die betrieben wurde, die war einfach zerstörerisch. Seit Juli 2013, als die Kerry-Initiative gestartet wurde, sind mehr als 14 000 neue Wohnungen autorisiert worden im Westjordanland. Übrigens sagt ja die israelische Regierung nicht mehr Westjordanland, sondern Judäa und Samaria, das sagt vieles aus. Und hier muss angesetzt werden, dass es wieder zu Gesprächen kommt, um eine Zwei-Staaten-Lösung auf die Beine zu bekommen.

Irina Grabowski: Sie haben gerade die europäische Stimme angesprochen und da ist wieder die Gleichzeitigkeit der Dinge heute an diesem Tag: Jean-Claude Juncker, ihr Landsmann, wird vom Europäischen Parlament zum EU-Kommissionspräsident gewählt. Das könnte eine wichtige Stimme in Europa dann werden, auch im Fall solcher Konflikte.

Sind Sie froh, dass das nun endlich vollbracht wird?

Jean Asselborn: Hier geht es ja nicht um Krieg, glücklicherweise, auch wenn dieser Spuk für mich zu lange gedauert hat. Aber ich hoffe, dass das heute im Parlament sehr gut geht.

Sie wissen, Europa sind Personen sehr wichtig und bestimmt der Kommissionspräsident ist eine wichtige Funktion. Aber es geht vor allem ja auch um Substanz in Europa und ich hoffe, dass man nach dem Votum von heute im Europäischen Parlament auch schnell Lösungen findet für das Paket von den anderen Personen, also den Posten die besetzt werden müssen. Und dass man dann Europa wieder in der Tiefe, sagen wir mal, reformieren kann und die Lösung finden kann, die die Menschen von uns verlangen. Vor allem – vielleicht nicht so aggressiv in Deutschland aber in vielen, vielen europäischen Ländern – was die Arbeitslosigkeit angeht.

Dernière mise à jour