Jean Asselborn au sujet de l’Ukraine et de la réunion à Vienne de 30 ministres des Affaires étrangères réunis au Conseil de l’Europe

"Ich weiß nicht, was in den Köpfen in Moskau vor sich geht"

Jean Asselborn: Guten Morgen, Herr Ricke!

Christopher Ricke: Der russische Außenminister, Ihr Kollege Lawrow, ist ja schon frühzeitig in die Offensive gegangen. Er spricht von Menschenrechtsverletzungen beim Machtwechsel in der Ukraine, der Europarat müsse das dringend untersuchen. Werden Sie ihn bei dieser Forderung unterstützen?

Jean Asselborn: Herr Ricke, es ist ja so, dass der Europarat eigentlich eine diskrete Organisation ist, die zum Ziel hat, die Rechtsstaatlichkeit in Europa auszubauen und zu verteidigen. Selbstverständlich ist alles auf die Ukraine heute auch hier fokussiert, das ist das Thema. In der Ukraine ist ein blutiger Konflikt ausgebrochen, und ich glaube, auf beiden Seiten soll man aufhören, Schuldzuweisungen zu machen, sondern wirklich alle Energie daranzusetzen, richtig zu analysieren und dann auch von Wien aus zu sagen, was zu tun ist, damit dieses Drama aufhört.

Christopher Ricke: Man sucht ja händeringend nach einer Plattform, auf der sich auch die verschiedenen Parteien begegnen können und man einen Schritt zurückgeht, vielleicht mal durchatmet und sagt, so kann es nicht weitergehen. Ist das der richtige Ort?

Jean Asselborn: Hier in Wien sind etwa 30 Außenminister. Der Ausweg wird nicht hier gefunden werden, aber ich glaube, dass man in der Analyse trotzdem versuchen muss, ein Stück weiterzukommen. Nach dem Drama von Odessa, wo ja mehr als 40 Menschen das Leben verloren haben, nach der Freilassung aber auch der Moniteure hat man ja Hoffnung gehabt, dass es zu einem Wendepunkt kommt, also nach dem Wochenende. Die Gewalt, die Sinnlosigkeit der Gewalt müsste man doch eigentlich einsehen und dann – auch Russland ist gewillt, ist fähig, sich für eine Deeskalation zu engagieren, das haben sie gezeigt bei der Freilassung. Aber leider war das nur eine Hoffnung.

Meines Erachtens gibt es nur einen einzigen Ausweg aus dieser Lage, dass wirklich von russischer Seite, und das ist der Schlüssel, alles gemacht wird, wenigstens den indirekten und den direkten Einfluss auf die Separatisten ganz stark gültig zu machen, damit das geschieht, was eigentlich beim Genfer Abkommen ja eines der Hauptziele war, nämlich diese bewaffneten Separatisten zu entwaffnen. Das sind keine friedlichen Demonstranten. Und dann, unter der Leitung der OSZE, dass man auch zu einem Gespräch kommt zwischen den Parteien in der Ukraine.

Christopher Ricke: Jetzt kennen Sie ja Ihren russischen Kollegen Lawrow seit vielen Jahren. Wird der das hören? Wird er es auch verstehen? Und wird er das auch in Moskau erklären können?

Jean Asselborn: Ich glaube, dass auch in Moskau, das hat man ja gehört nach der Freilassung der Moniteure, dass da auch aufgeatmet wurde, dass Moskau, Russland auch in einer Lage ist, total isoliert in verschiedenen Gesichtspunkten, und auch dieser Druck, der, sagen wir mal, auf Russland besteht dadurch, dass man wieder Angst hat vor Russland, dass die Deeskalation auch politisch, glaube ich, in Russland sehr stark zum Tragen kommt. Wenn diese Separatisten entwaffnet wären, würde natürlich jede Militäraktion von Kiew auch einzustellen sein. Und dass man dann auch den Punkt, den Sie ja angeschnitten haben, dass eben Präsident Putin mit Didier Burkhalter sich sieht morgen, dass man ein Folgetreffen, was ja auch der deutsche Außenminister sehr stark fordert, dieser Quadripartite in Genf, dass die stattfindet. In diesem Quadripartite-Abkommen ist alles enthalten, was eigentlich zur Deeskalation nützlich wäre.

Das Gegenteil ist geschehen, es kam zu einer Eskalation. Und ich glaube, hier müsste angesetzt werden, dass im Interesse Russlands, im Interesse Europas im Allgemeinen, im Interesse auch selbstverständlich der Ukraine, dass man den Atem anhält, wie Sie es gesagt haben, und versucht, wirklich nach vorne zu schauen und nicht mehr sich zu bekämpfen, mit Waffen zu bekämpfen, sondern zu schauen, auch wenn wir hier beim Europarat sind und an die Kommission von Venedig zum Beispiel denken, wie man helfen kann, dass die richtige Verfassung auch ausgearbeitet wird in der Ukraine.

Christopher Ricke: Herr Asselborn, jetzt gibt es für die Russen einen wichtigen Termin in dieser Woche, der 9. Mai, das ist der Sieg über Hitler-Deutschland, da zeigt man gerne noch einmal militärische Kraft, nationalen Stolz. Da passt natürlich ein Schritt zurück in der Ukraine-Krise nicht hin. Aber vielleicht am 10. oder am 11. Mai. Sind Sie da optimistisch?

Jean Asselborn: Ich weiß nicht, was in den Köpfen in Moskau vor sich geht. Was ich weiß und wofür ich mich einsetze mit meinen Kollegen auch aus der Europäischen Union und aus dem Europarat, dass Präsidentschaftswahlen stattfinden am 25. Mai in der ganzen Ukraine. Das Volk der Ukraine muss die Möglichkeit haben, sich endlich auszudrücken. Die Legitimierung des obersten Amtes wird dabei selbstverständlich gewinnen. Dass man dann auf eine Schiene kommen kann, sehr schnell, um eine Verfassung auszuarbeiten in der Ukraine, und dann auch Parlamentswahlen selbstverständlich noch in diesem Jahr zu organisieren. Das scheint mir die Roadmap, der Weg, wie man die Rechtsstaatlichkeit, und darüber reden wir ja im Europarat, wie man die in der Ukraine stärken kann. Alles andere rundherum – ich glaube, es ist genug geschehen, es sind genug, wie sagt man, negative Einflüsse, die geltend gemacht werden. Wir sollten uns aus europäischer Sicht wirklich konzentrieren, den Ukrainern und dem ukrainischen Volk zu helfen.

Christopher Ricke: Die Außenminister von 30 Europaratsstaaten beraten in Wien. Jean Asselborn ist der luxemburgische Außenminister. Ich danke Ihnen sehr!

Jean Asselborn: Bitte!

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