Jean Asselborn au sujet des négociations sur le nucléaire iranien

Tageblatt: Wie beurteilen Sie die Verhandlungen mit dem Iran generell?

Jean Asselborn: Das Problem Iran ist außenpolitisch betrachtet wohl das wichtigste und schwierigste der letzten zehn Jahre. Mit den neuen Verhandlungen besteht die große Chance, endlich eine Lösung zu finden. Daher auch die große Sensibilität in den allermeisten europäischen Ländern, zu helfen, im Rahmen der internationalen Gemeinschaft eine neue Linie für eine andere Zukunft zu finden, als dies in den letzten zehn Jahren der Fall war. Das gilt nicht nur für die Europäische Union, sondern auch für die USA.

Tageblatt: Die Verhandlungen ziehen sich seit zehn Jahren dahin. Warum wurden sie nötig?

Jean Asselborn: Fest steht, dass der Iran vor 2003, ohne mit der Internationalen Atomenergiebehörde lAEA zusammenzuarbeiten, Uran angereichert hat. Dies war auch der Grund für die damaligen drei europäischen Außenminister Dominique de Villepin aus Frankreich, Joschka Fischer aus Deutschland und Jack Straw aus Großbritannien, den Versuch zu unternehmen, den Dialog mit dem Iran aufzugreifen. Aus diesem Ansatz wurde dann im Dezember 2004 versucht, unter Luxemburger EU-Präsidentschaft und auf meinen Vorschlag hin, den Verhandlungen eine europäischere Nase zu geben. Der außenpolitische Beauftragte der Europäischen Union, Javier Solana, sollte die Verhandlungen führen. Hieraus entstand dann die EU3-plus-3-Gruppe, die später zur P5+l wurde, die fünf Vetomächte des Weltsicherheitsrates plus Deutschland, für die zuerst Solana verhandelte und später Catherine Ashton übernahm.

Tageblatt: Gab es damals bereits erste Fortschritte?

Jean Asselborn: Durchaus. Doch dann kamen im Iran die Wahlen 2005 und Ahmadinedschad wurde Präsident, womit niemand gerechnet hatte. Ab da waren alle Abmachungen, die bis dahin getroffen worden waren, ungültig, auch die, mit denen sich der Iran einverstanden erklärt hatte, wie etwa die, dass er seine Urananreicherung zurückschrauben oder aber auf jeden Fall bei 5% deckeln wollte. Unter Ahmadinedschad begann ab 2005 ein Versteckspiel. Der Iran kooperierte nicht mehr, im Gegenteil. Die Zahl der Zentrifugen nahm dramatisch zu und es wurde versucht, über 5% anzureichern. Von 2006-2008 kamen dann vier Sanktionswellen seitens der Vereinten Nationen.

Tageblatt: Warum die Begrenzung auf 5% Anreicherung?

Jean Asselborn: Es ist so, dass man bei bis zu 5% Anreicherung von einer zivilen, etwa medizinischen Nutzung spricht. Bei einer Anreicherung auf 20% wird es schwieriger und intensiver. Einmal die 20% erreicht, ist es technisch kein besonders großer Aufwand, um auf 90% anzureichern und damit in der Lage zu sein, eine Atombombe zu bauen. Wenn man dann bedenkt, dass der Iran über interkontinentale Raketen verfügt, versteht man, warum sich schnell großes Misstrauen aufgebaut hat und besteht. Daher die Sanktionen ab 2006.

Tageblatt: Jetzt wurden neue Verhandlungen begonnen. Was sind die Hintergründe?

Jean Asselborn: Es gibt mehrere. Zum einem, wie gesagt, die Sanktionen. Dass der Iran gewillt war, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, liegt sicher daran, dass die Sanktionen der UN, aber auch der amerikanischen und der europäischen sowie die anderer Länder wie etwa Japan, Wirkung zeigen. Der iranische Rial ist um 30-40% abgesackt, was natürlich Auswirkungen auf den Alltag der Menschen im Iran hat. Der Iran kann kaum mehr Öl verkaufen, eine wichtige Einnahmequelle. Kurzum also, der Iran verhandelt wegen der Sanktionen. Aber auch die P5+l und besonders die Europäer haben ein Interesse an neuen Verhandlungen. Die Zahl der Zentrifugen ist, wie gesagt, dramatisch angestiegen, von anfangs ein paar hundert auf fast 20.000 und auch die Kapazität der Anreicherung hat sich stark nach oben entwickelt. Die möglichen bedrohlichen Folgen nahmen ständig zu. Das zeigen auch die Zahlen, denn damit sind wir bei einem der noch nicht gelösten Probleme. Der Iran hat, und das ist belegt, 186 Kilogramm an 20% angereichertem Uran. Das war natürlich ein Diskussionspunkt, was hiermit geschehen soll. Als Drittes kommt natürlich der politische Abgang und die Wahl des neuen Präsidenten Rohani hinzu. Dies war sicher der alles entscheidende Faktor, der den aktuellen Stand der Dinge ausgelöst hat. Vorher war wirklich fast alles blockiert. Mit dem damaligen Verhandlungsführer Mottaki wurde zwar geredet, aber ohne Ergebnis. Inzwischen glaube ich, hat auch der religiöse Führer Chamenei eingesehen, dass das Land wegen der Sanktionen riskiert gegen die Wand zu fahren.

Tageblatt: Es kamen neue Verhandlungen und der Durchbruch gelang.

Jean Asselborn: Ja, am 23. und 24. November letzten Jahres in Genf. Ich bin der Meinung, diesen Durchbruch sollte man auf keinen Fall verspielen, auch wenn es vorläufig nur eine erste Etappe ist, für die Dauer von sechs Monaten, in denen eine Vertrauensbasis gebildet werden soll, ehe weitere Entscheidungen fallen. Im Prinzip geht es darum, dass der Iran sich verpflichtet, sein Atomprogramm einzufrieren, während die P5+l eine Abschwächung der Sanktionen in Aussicht stellt.

Tageblatt: Was sind die einzelnen Punkte, die vereinbart wurden?

Jean Asselborn: Als Erstes soll der Iran das Anreichern auf maximal 5% beschränken. Bei 3,5-5% spricht man von einer zivilen Nutzung für Energiegewinnung oder medizinische Zwecke. Es wurde also nicht mehr über einen kompletten Stopp der Anreicherung geredet. Zweitens soll der Iran die 186 Kilogramm an 20% angereichertem Uran neutralisieren. Drittens soll er keine neuen Zentrifugen in Betrieb nehmen. Ausgediente Zentrifugen jedoch können ersetzt werden. Dann geht es um die zweite Möglichkeit zur Beschaffung einer Atombombe. Durch den Schwerwasserreaktor in Arak kann der Iran Plutonium gewinnen und eine Atombombe herstellen. Daher soll der Iran die Anlage in Arak nicht in Betrieb nehmen und auch keine Anlage bauen, die Plutonium extrahieren könnte. Weiter soll der Iran der Internationalen Atomenergiebehörde ungehinderten Zugang für Kontrollen in den Kraftwerken in Natanz und in Fordow gestatten.

Tageblatt: Und was wird als Gegenleistung in Aussicht gestellt?

Jean Asselborn: Wir sind, in einer ersten Phase, in der es um , Vertrauensbildung geht. Zuerst muss der Iran zeigen, dass er bereit ist, seine Verpflichtungen einzuhalten. Ist das der Fall, werden die P5+l-Staaten die Sanktionen zum Teil erleichtern. Insgesamt chiffriert sich dies auf 7 Milliarden Dollar. So sollen verschiedene Sanktionen beim Goldhandel und dem Handel mit Edelmetallen wegfallen. Das Gleiche gilt für einige, nicht alle wie gesagt, der Sanktionen in der Automobilbranche und der Petrochemie. Einige Fluggesellschaften sollen wieder Reparaturen an ausländischen Flugzeugen durchführen dürfen. Dann sollen 400 Millionen Dollar, die zurzeit blockiert sind, für iranische Studenten im Ausland freigegeben werden. Und bei den Ölverkäufen werden 4,2 Milliarden freigesetzt. Wichtig für den Iran ist, dass er sagen kann, dass die Anreicherung für zivile Zwecke weitergehen kann, wie in allen Ländern auf der Welt, und das Land somit sein Gesicht wahrt.

Tageblatt: Das Treffen in Wien war kaum vorbei, da begannen die Probleme.

Jean Asselborn: In der Tat. Obwohl wir noch in der vertrauensbildenden Zeitspanne sind und noch nichts definitiv entschieden ist. Natürlich muss der Iran zuerst zeigen, dass er die Abmachungen einhält. Aber auch die internationale Gemeinschaft und jene Länder, die Sanktionen gegen den Iran ausgesprochen haben, müssen zeigen, dass sie den eingeschlagenen Weg der erleichterten Sanktionen einhalten wollen. Dennoch hat der Druck auf den amerikanischen Kongress bewirkt, dass die USA zusätzliche Firmen auf die Sanktionsliste gesetzt haben, woraufhin die Iraner den Verhandlungstisch vor 14 Tagen bei einem Treffen auf Beamtenebene in Wien verlassen haben. Letzte Woche dann wurde bei einem weiteren Beamtentreffen in Genf dennoch weiterverhandelt. Auf politischer Ebene ist ein neues Treffen Beginn Februar vorgesehen.

Tageblatt: Nicht nur der amerikanische Kongress sorgt für Druck. Auch Israel hat sich besorgt gezeigt. Premier Netanjahu sprach von einem historischen Fehler.

Jean Asselborn: Ja, er hat das Abkommen entschieden abgelehnt, ohne noch dessen Inhalt zu kennen. Sein Argument lautet, dass wenn man das Druckmittel einer militärischen Intervention im Iran, das im Raume stand, aufgibt, dieser machen werde, was er wolle. Was meiner Meinung nach aber eine falsche Einstellung ist. Doch Israel ist ja nicht alleine. Der Einfluss der israelischen Positionen auf den amerikanischen Kongress ist bekannt und bis jetzt haben die Amerikaner auf jeden Fall noch kein grünes Licht für den Plan gegeben. Das ist eine komplizierte Angelegenheit. Jede der verhandelnden Parteien hat sich an das Abkommen zu halten. Sollten die USA dies nicht tun, dann hätte das natürlich Einfluss auf die weitere Entwicklung. Es würde die anderen Partner meiner Meinung nach nicht davon entbinden, dennoch diesen Weg zu gehen. Nun könnte man sich vorstellen, dass sich die anderen Partner der internationalen Gemeinschaft an das Abkommen halten und die Amerikaner nicht. Das würde natürlich einen enormen Druck auf die USA bewirken. Wobei man wissen muss, dass in den USA nicht nur die Tea Party gegen das Abkommen ist, sondern sich auch bei den Demokraten Widerstand regt. Befürchtet wird hier, mit einer Erleichterung der Sanktionen würde das Druckmittel fehlen und der ganze Plan in sich zusammenbrechen. Dann jedoch wären wir wieder da, wo wir vor zehn Jahren waren, und von eben da wollen wir endlich weg.

Tageblatt: Auch Saudi-Arabien sieht die Entwicklung mit Argwohn. Wenn auch aus anderen Gründen.

Jean Asselborn: Ja, Saudi-Arabien und einige andere Golfstaaten, aber nicht alle. Saudi-Arabien hat Angst, dass der Iran eines Tages über Atomwaffen verfügt. Dann wären wir in einem Szenario der Weiterverbreitung der Atomwaffen. Saudi-Arabien ist das Land, das politisch und religiös das Gegengewicht zum Iran in der ganzen Region bildet. Die Angst ist da, dass der Iran nicht mit offenen Karten spielt und irgendwann durch diese Tricks dennoch genügend anreichert, um eines Tages doch Atomwaffen zu haben. Saudi-Arabiens Reaktion wäre sicher, dass es sich gezwungen sähe, ebenfalls hierauf hinzuarbeiten. Eines Tages kämen dann noch vielleicht die Türkei hinzu und Ägypten. Damit hätte man das Gegenteil erreicht, von dem, was man eigentlich erreichen wollte.

Tageblatt: Was halten Sie von Kritiken, die sagen, dass man dem Iran zu sehr entgegenkommt?

Jean Asselborn: Persönlich glaube ich, dass es wichtig wäre, mit dem Iran wieder einen normalen Dialog führen zu können, nicht zuletzt auch mit Blick auf die Entwicklung in Nahost. Auch wenn, eine Zwischenbemerkung sei erlaubt, man bei den wieder anlaufenden Friedensverhandlungen feststellen muss, dass zwar einerseits Gefangene von den Israelis entlassen werden, andererseits jedoch gleichzeitig die Zahl der Siedlungen erhöht wird, was ja nicht sein sollte. Gelinge es jedoch, mit dem Iran ins Gespräch zu kommen, könnte dieser z.B. auf Syrien positiven und nicht nur negativen Einfluss ausüben. Wenn man an die Hisbollah denkt und die iranische Revolutionsgarde, die beide in Syrien präsent sind, könnten sich völlig neue Möglichkeiten auftun. Und geografisch gesehen, ob man will oder nicht, alleine die Größe, die Geschichte und die Bedeutung dieses Landes drängen auf eine bessere Einbindung. Nach zehn Jahren Verkrampfung, die ja nicht von den Amerikanern oder den Europäern ausgeht, sondern sich der Iran selber zuzuschreiben hat, und auch angesichts des Umgangs des Landes mit den Menschenrechten kann alles ja nur in eine bessere Richtung gehen, wenn man den Iran dazu bringen könnte, dass er in der internationalen Gemeinschaft wieder eine Rolle einnimmt, die viel konstruktiver ausgerichtet ist.

Tageblatt: Sehen Sie hierzu Ansätze? Sehen Sie eine Änderung in der iranischen Gesellschaft?

Jean Asselborn: Eigentlich schon. Allerdings verfügen wir zurzeit ja nicht über die besten Informationen über den Iran. In den letzten zehn Jahren waren kaum europäische Außenminister in dem Land. Was wir jedoch hören, von Geschäftsleuten z.b., die dort waren, ist, dass die Menschen dort nicht mehr so leben wollen, wie es sich z.B. ein Ahmadinedschad wünschte. Allerdings hat der Iran seit Chomeini ein festes gesellschaftliches Gefüge. Dabei gibt es einige Gegensätze. Auf der einen Seite kann man sehen, dass der Präsident gewählt wird und dies sogar akzeptiert wird, selbst wenn er, wie im Falle von Rohani, nicht der Favorit des religiösen Führers Chamenei war. Dem jedoch steht die blutige Niederwerfung der grünen Revolution vor ein paar Jahren gegenüber, was keinen besonders positiven Eindruck von Rechtsstaatlichkeit und Umgang mit den Menschenrechten hinterließ. Dennoch gibt es heute die Hoffnung, dass sich auf der Ebene der Parlamentswahlen eine andere Tendenz durchsetzt, dass hier der Wechsel kommt, wie im Falle von Rohani. Ich glaube, ein gesellschaftlicher Wechsel kann ebenfalls nur über den Weg der Wahlen erfolgen. Wenn das Volk und vor allen Dingen die jungen Menschen sich trauen, das vorherrschende dogmatische Denken zu überwinden. Und diese Tendenz, meine ich, ist da. Ich sage nicht, dass es zu einem westlichen Lebensstil kommen soll, aber zu einem Leben, wo jeder Mensch selber entscheidet, was er denkt, was er religiös und kulturell denkt und wie er sich politisch artikuliert. Im Iran wird zurzeit über die Zulassung von Parteien diskutiert.

Tageblatt: Und wenn es nicht klappt?

Jean Asselborn: Das ist die Gefahr. Wenn der jetzige Anlauf nicht gelingt, dann sind es die Hardliner im Irak, jene, die keine Türen öffnen wollen, die gewonnen haben. Darum glaube ich, haben wir auch im Interesse der Gesellschaft im Iran gehandelt. Als internationale Gemeinschaft haben wir die Pflicht, jenen zu helfen, die wirklich eine Öffnung ihrer Gesellschaft wünschen, und nicht den Hardlinern zuzuspielen, die ihre Position durchsetzen wollen. Wenn das geschieht und wenn das Abkommen von der internationalen Gemeinschaft zerrissen und kaputt gemacht wird, dann haben wir die Hardliner gestärkt.

Tageblatt: Trotz dieses positiven Ausblicks: Verstehen Sie die Ängste anderer Menschen?

Jean Asselborn: Ja. Denn die Angst ist eben da, auch weil nicht abzustreiten ist, dass der Iran vor 2003 den von ihm unterschriebenen Atomwaffensperrvertrag zur Nichtverbreitung nuklearer Waffen umgangen hat und hinter dem Rücken der Internationalen Atombehörde angereichert hat. Das ist nun einmal eine Tatsache, die man nicht einfach wegwischen kann. Wenn man dann die Parolen eines Ahmadinedschad gehört hat, in Bezug auf Israel, das man „ins Meer werfen“ sollte und dem er das Existenzrecht abstreitet, dann muss man verstehen, dass die Angst in Israel natürlich groß ist. Als internationale Gemeinschaft müssen wir beweisen, dass es trotzdem gehen kann und dass das Existenzrecht Israels nicht bezweifelt werden darf. Auf der anderen Seite ist es wichtig, dass man nun nicht alles verteufelt, was die aktuelle blockierte Situation, bei der jeder Verlierer wäre, entschärfen könnte.

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