Jean Asselborn au sujet de l'actualité européenne et internationale

Luxemburger Wort: Auf dem morgigen EU-Gipfel ist neben der Verteidigungspolitik die Finanzpolitik das beherrschende Thema. Luxemburg scheint dabei mit seinem Finanzplatz zunehmend in die Defensive zu geraten.

Jean Asselborn: Luxemburg muss in der EU mit ganz harten Bandagen kämpfen. Wir haben immer akzeptiert, dass es ein politisches Kräfteverhältnis in der EU gibt. In den vergangenen Jahren, gerade jetzt in der Krise, stellen wir fest, dass es eine Hegemonie der Großen gegenüber den Kleineren und Kleinen gibt. Vor allem Luxemburg und sein Finanzplatz sind im Visier. Dies obwohl wir in den vergangenen zehn Jahren enorm wichtige Schritte hin zu einer größeren Transparenz des Finanzplatzes sowie gegen die Geldwäsche und Gelder krimineller Herkunft gemacht haben und ab dem 1. Januar 2015 ohne Vorbedingungen den automatischen Informationsaustausch einführen werden.

Luxemburger Wort: Wie äußert sich das konkret?

Jean Asselborn: Es ist für uns eine regelrechte Herausforderung, als kleines Land das Recht zu haben, einen ,überdimensionierten' Finanzplatz zu besitzen. Wir werden immer mehr als Niedrigsteuerland und Steuerparadies abgestempelt und in die Ecke getrieben. Diese Entwicklung hängt stark damit zusammen, dass das Gemeinschaftliche - die Domäne der EU-Kommission - zunehmend dem Intergouvernementalen, d. h. den nationalen Interessen, untergeordnet wird. Es ist gewagt zu glauben, dem könnte man mit Werbekampagnen entgegenwirken. Viel wichtiger ist es, dass Luxemburg zeigt, dass wir auch geben können - mit einer Entwicklungshilfe in Höhe von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts sowie mit unserem Einsatz für Menschenrechte. Wir sind nicht im Weltsicherheitsrat präsent, damit der Außenminister oder ein paar Diplomaten sich ergötzen. Vielmehr geht es um das Bild unseres Landes in der Welt.

Luxemburger Wort: Welche Folgerung muss Luxemburg daraus ziehen?

Jean Asselborn: Luxemburg hat eigentlich seit der Finanzkrise keine andere Wahl mehr als die für einen sauberen Bankplatz notwendigen Schritte zu ergreifen. Kein Land kann jedoch akzeptieren, dass dem Bankenplatz die Finger gebrochen werden und die Nachbarländer davon unmittelbar profitieren. Denn alles, was in Luxemburg geschieht, passiert auch in den großen Ländern, in verschiedenen Bereichen sogar viel aggressiver als bei uns. Aber es hat sich nun herausgestellt, dass das kleine Luxemburg der Bösewicht ist, und für alles verantwortlich ist, was in den großen Ländern falsch läuft. Das gilt vor allem für unsere beiden großen Nachbarn.

Luxemburger Wort: Wird Luxemburgs Außenpolitik nun künftig liberaler und grüner?

Jean Asselborn: Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich die Ausrichtung von Luxemburgs Außenpolitik fundamental ändert. Das wäre auch völlig falsch. Die Außenpolitik eines kleinen Landes muss Kontinuität besitzen. Wir werden weder den Werdegang Europas noch den Werdegang des Weltsicherheitsrats ändern. In Europa lautet unsere Linie: Arbeiten für mehr Integration, und im Weltsicherheitsrat: für etwas arbeiten, worin wir glaubwürdig sind: Menschenrechte und auf humanitärem Gebiet. Wir haben den Vorsitz im Sanktionsausschuss für Nordkorea und in der Arbeitsgruppe Kinder und bewaffnete Konflikte. Inder Arbeitsgruppe des Koalitionsausschusses ist darauf gepocht worden, dass die Außenpolitik aus einem Guss bleibt und dass der Außenminister weiß, wo gerade andere Minister im Ausland sind - soweit er nicht nur nach Brüssel führt - und über alle Aktivitäten im Ausland informiert ist, und dabei der Schwerpunkt auf das Wirtschaftliche gelegt wird.

Luxemburger Wort: Welchen Stellenwert nimmt die Arbeit im Weltsicherheitsrat ein?

Jean Asselborn: Mitglied des Weltsicherheitsrats zu sein oder gar den Vorsitz zu führen ist etwas anderes als der Ratsvorsitz in der EU. Während man in der EU Akzente setzen kann, geht im Weltsicherheitsrat alles nur im Konsens. Wichtigstes Thema im Weltsicherheitsrat ist Syrien. Luxemburg hat sich auf drei Niveaus engagiert: Erstens bei der Zerstörung der Chemiewaffen. Wenn diese nun zerstört sind, kann dies allerdings nicht heißen, dass Assad eine Lizenz zum Töten mit konventionellen Waffen besitzt. Daher muss das Gemetzel politisch beendet werden. Deshalb hat Luxemburg zweitens alles gemacht, um den UN-Sondergesandten Lakhdar Brahimi und die Kerry-Lawrow-Initiative zu unterstützen. Man kann heute noch nicht absehen, ob die Friedensgespräche Ende Januar in Genf stattfinden oder nicht. Wenn erst einmal eine Übergangsregierung in Syrien steht, wird man nicht daran vorbeikommen, UN-Blauhelme zu entsenden, die in Syrien den Frieden überwachen und dann eine Verfassung ausarbeiten und damit zu einer Entwicklung kommen, die etwas mit Demokratie zu tun hat. Das dritte Niveau ist die humanitäre Hilfe, wo Luxemburg ganz aktiv geholfen hat - zusammen mit Ocha, dem UN-Büro für humanitäre Hilfe.

Luxemburger Wort: Welches Land wäre denn bereit, UN-Blauhelme zu stellen?

Jean Asselborn: Das ist ein Detail, so weit sind wir ja noch nicht. Ich kann mir jedoch vorstellen, dass in einer Übergangszeit von zwei Jahren UN-Truppen in Syrien stationiert werden.

Luxemburger Wort: Wie ist es mit der Bestrafung der Verantwortlichen?

Jean Asselborn: Die UN fordern, das diejenigen, die für die Chemiewaffeneinsatz verantwortlich sind, bestraft werden müssen. Das bringt uns zum Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Tatsächlich wird die Lage dadurch belastet, dass die Verantwortlichen nicht belangt werden können. Im Fall von Syrien hat sich der Weltsicherheitsrat bewegt, aber man muss auch sagen, dass er bei Ausbruch des Konflikts vollständig versagt hat. Es hätte nie so lange dauern und so weit kommen dürfen. Es mag sein, dass der Fall Libyen ein Grund dafür war, aber dass ist keine Entschuldigung, an Syrien vorbeizuschauen.

Luxemburger Wort: Was ist Luxemburgs Position gegenüber der Situation in Mali?

Jean Asselborn: Für Syrien haben wir 8 Millionen Euro gegeben, für Mali stellen wir über 20 Millionen Euro bereit. Wenn Frankreich nicht in Mali interveniert hätte, wäre Mali als erstes Land der Welt in die Hände von Terroristen gefallen. Und es wäre nicht bei Mali geblieben, Niger und andere Nachbarländer wären betroffen gewesen. Deshalb hat sich Luxemburg in seinem Partnerland Mali engagiert. Wir haben viel im Norden gemacht. Das soll nicht alles vergeblich sein. Hut ab also vor Frankreich, das dafür sorgt, dass die Präsidentschaftswahlen dort stattfinden konnten.

Luxemburger Wort: Der andere Krisenherd in der Region heißt Zentralafrika...

Jean Asselborn: Die Lage dort ist momentan das Schlimmste, was man sich auf der Welt vorstellen kann. Zentralafrika stand völlig im Schatten von Mali und Syrien. Die Seleka-Rebellen, die im März geputscht haben, sind mit Mitteln vorgegangen, deren Grausamkeit selbst gegenüber Kindern nicht zu beschreiben ist. Hier geht es um die elementarste Menschlichkeit. Es gib kein Interesse, in Bangui die Kontrolle zu übernehmen. Die Franzosen machen das, wozu wir als EU nicht fähig sind. Hätten wir in der EU doch eine Streitmacht, da zu intervenieren, wo die Menschenrechte mit den Füßen getreten werden, um die Grauel zu stoppen.

Luxemburger Wort: Die militärischen Mittel dazu, in Form einer EU-Eingreiftruppe, stehen eigentlich zur Verfügung.

Jean Asselborn: Aber sie werdern nicht genutzt. Frankreich tut dies nun. Ich finde es nicht dezent, dass nun Kommentare darüber gemacht werden, ob Frankreich dafür mit 50 Millionen Euro unterstützt werden soll oder nicht. Es bestehen Situationen in der Politik, da gibt es keine Alternative zu einer Intervention, um Schlimmeres zu verhüten.  

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