Interview von Franz Fayot im Luxemburger Wort

"Für eine nachhaltigere Wirtschaft"

Interview: Luxemburger Wort

Luxemburger Wort: Franz Fayot, Sie bezeichneten einmal Greta Thunberg als einen Ihrer Lieblingshelden in der Gegenwart. Hätten Sie als Wirtschaftsminister überhaupt noch etwas zu tun, wenn all das umgesetzt würde, was Thunberg fordert?

Franz Fayot: Ich glaube, das ist etwas einfach gedacht. Greta Thunberg finde ich interessant und auch bewundernswert in dem Sinn, dass sie eine Bewegung losgetreten hat, die viele Jugendliche auf die Straßen bringt, um uns für die Dringlichkeit der Klimaschutzes zu sensibilisieren. Ich finde, dass das großen Respekt verdient, und es gibt auch der Wirtschaftspolitik einen richtigen Anstoß.

Natürlich sollten wir nicht aufhören, Wirtschaftspolitik zu betreiben und Unternehmen nach Luxemburg zu bringen, aber das muss man heute im Einklang mit Umwelt- und Klimaschutz tun.Der Gegensatz zwischen Umwelt und Wirtschaft ist oft plakativ.Denn auch in der Wirtschaft und den einzelnen Betrieben wird es immer bewusster, dass man heute nicht mehr wirtschaften kann, ohne Umweltbelange zu berücksichtigen.

Luxemburger Wort: Hier stieß unlängst die Ansiedlung einer Steinwollefabrik auf Widerstand. Gleichzeitig importieren wir Steinwolle, die woanders produziert wird. Ist das Nachhaltigkeit? Wenn wir aufhören zu produzieren und alles woanders herstellen lassen, nutzt das dem Klima auch nichts.

Franz Fayot: Das ist richtig. Die Knauf-Steinwollefabrik ist ein gutes Beispiel für das Spannungsfeld zwischen Nachhaltigkeit und Industrie. Bei dem Projekt gab es eine Reihe Aspekte, die schlussendlich die Bevölkerung von Sassenheim aufbrachten. Es stimmt, dass das zu einem gewissen Grad widersprüchlich ist, weil zum einen die Fabrik hier nicht gewollt war, wir zum anderen aber Steinwolle brauchen. Das zeigt auch, dass es wichtig ist, die Industrie hier zu behalten, die mit immer strengeren Vorschriften und Umweltregelungen konform sein muss. Denn es ist besser, wenn Sachen hier produziert werden als wenn sie dort produziert werden, wo viel geringere oder keine Umweltstandards gelten. Vielleicht ist man in Luxemburg in dieser Hinsicht ein wenig verwöhnt, aber man kann die Belange der Menschen auch nicht außen vor lassen. Das heißt, dass wir andere Industrien ansiedeln müssen, die mehr auf Kreislaufwirtschaft setzen, die weniger Emissionen ausstoßen, weniger Verkehr produzieren. Das sind alles die. Fragen, die sich heute stellen.

Luxemburger Wort: Was haben Sie sich vorgenommen, das Sie nun als Wirtschaftsminister auf jeden Fall erreichen und umsetzen wollen?

Franz Fayot: Ich wäre wirklich glücklich, wenn wir weiterkommen auf dem Weg in eine nachhaltige Wirtschaft. Wenn es uns gelingt, unsere Wirtschaft vom linearen Produktionsmodus wegbekommen (sic), ein Wirtschaftsmodell, dass (sic) darauf basiert, viel zu verbrauchen, viele Ressourcen, viel Energie, viel Land, Personal. Stattdessen muss uns ein nachhaltigeres Wirtschaften gelingen, wie das ja bereits einige Betriebe hier machen, und ein Wirtschaftsstandort für innovative und nachhaltige Unternehmen zu werden (sic). Umwelttechnologien sind in diesem Zusammenhang interessant, der Gesundheitssektor und natürlich alles, was mit Digitalisierung zu tun hat, Forschung und Entwicklung: um aus dem Standort Luxemburg ein Labor für die Wirtschaft von morgen zu machen.

Luxemburger Wort: Auch Ihr Vorgänger wollte aus Luxemburg einen innovativen Standort machen ...

Franz Fayot:  Etienne Schneider hat den Anstoß für viele Projekte gegeben, die sehr interessant sind, sowie mit der Dritten Industriellen Revolution den Weg gewiesen, wo es hingeht und uns bewusst gemacht, dass wir in einer ökologischen und digitalen Transition sind und die Wirtschaft sich entsprechend wandeln muss. Was den Forschungsstandort Luxemburg betrifft, muss man sehen, dass wir als Forschungsstandort ja noch sehr jung sind. Das hat in den 1980ern begonnen und braucht seine Zeit, sich zu entwickeln. Ich selbst bin regelmäßig in Boston, und dort sieht man, wie so etwas funktionieren kann: Dort siedeln sich innovative Unternehmen an, weil dort auch die Forschungseinrichtungen und die "Brainpower" sind. Das braucht, wie gesagt, Zeit, aber ich bin sicher, dass das der Weg ist, den wir gehen müssen.

Luxemburger Wort: Wie sehen Sie die mögliche Ansiedlung eines Google-Datacenters in Luxemburg? Es würde dem ICT-Standort Luxemburg gut zu Gesicht stehen, andererseits sorgt man sich um Wasser- und Stromverbrauch.

Franz Fayot: Sie haben es in Ihrer Frage schon angesprochen: Auch hier gibt es Pro und Kontra. Käme das Datacenter; passt das natürlich genau in unsere Strategie des "Digital Lëtzebuerg", und die Ansiedlung eines Rechenzentrums von Google, das mit grüner Energie funktioniert und hochmodern ist, wäre natürlich auch ein "Aha"-Effekt. Im Moment geht es darum, wie das Datacenter konform mit den Vorgaben ist (sic). Das Projekt muss so gut sein, dass es auch von der Bevölkerung in Bissen akzeptiert wird und mögliche Impakte - zum Beispiel Verkehr - für die Menschen dort abgefedert werden. Da arbeite ich gerne in Partnerschaft mit dem Bürgermeister von Bissen zusammen.

Luxemburger Wort:  In Ihre Amtszeit fällt die Verwirklichung des Brexits. Boris Johnson muss dann schnell Erfolge vorweisen: Befürchten Sie Steuerdumping?

Franz Fayot: Das ist ganz klar ein Risiko, ja ... dass die Europäische Union vor die Tür ein Offshore-Zentrum bekommt mit Niedrigsteuersätzen für Unternehmen und eine Steuerpolitik für Ultrareiche. Zum Teil gibt es das dort ja schon mit bestimmten Steuerregimen, und diese Politik könnte tatsächlich noch forciert werden. Viel hängt nun deswegen von den Verhandlungen zu einem Handelsabkommen zwischen der EU und Großbritannien ab.

Luxemburger Wort: Sie verantworten nun gleichzeitig die Ressorts Wirtschaft und Entwicklungszusammenarbeit. Befürchten Sie nicht, dass Sie dabei mit sich selbst in Interessenkonflikt geraten?

Franz Fayot: Nein, das sehe ich nicht. Ich weiß, dass diese Furcht besteht, aber ich sehe im Gegenteil sogar viele Chancen, denn beide Politikfelder müssen miteinander übereinstimmen. Wir können in unserer Wirtschaftspolitik nicht Dinge tun oder fördern, die wir auf der anderen Seite bei der Entwicklungszusammenarbeit kritisieren, zum Beispiel Unternehmen hierhin bringen, die anderswo Steuerhinterziehung betreiben.

 

 

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