Luxemburgs Außenminister Asselborn: "Verdammte Pflicht, Brexit in trockene Tücher zu bekommen"

Interview von Jean Asselborn im SWR2

Interview: SWR2 (Mirjam Meinhardt)

SWR2: Herr Asselborn, wie enttäuscht sind Sie, dass das britische Parlament offenbar genauso gelähmt ist, wie die britische Regierung?

Jean Asselborn: Ja wissen Sie, also man ist natürlich enttäuscht, man ist genervt, aber im politischen Handwerk ist das so, dass man sich in Geduld üben muss und natürlich auch erwartet, dass man von der anderen Seite aber trotzdem Hilfe bekommt und Verständnis bekommt. Es wird, glaube ich, so langsam Zeit, dass wir - wie ihr Deutschen sagt: "zu Potte kommen“. Nicht wegen uns Politikern, sondern weil glaube ich, zehntausende Jobs ins Wanken kommen können und es ist unsere verdammte Pflicht, glaube ich, auf beiden Seiten, dass was vorliegt, abzuschließen und diesen Brexit, was ein unmögliches Ding ist, trotzdem in trockene Tücher zu bringen.

SWR2: Das heißt, haben Sie noch Hoffnung, hat die EU noch Hoffnung, dass man diesen harten Brexit verhindern kann?

Jean Asselborn: Ja, wenn man keine Hoffnung mehr hätte, das wäre ja schlecht. Diese Woche kann ja noch etwas geschehen, sollte etwas geschehen in Großbritannien, aber das ist äußert wackelig, weil sie wissen, dass ein drittes Votum allein beim Sprecher (des Unterhauses) angefangen nicht so evident ist und man braucht, um das durchzubekommen 320 Stimmen. Wo die sind, das ist jedenfalls auch nach dem Voten von gestern Abend nicht so evident.

SWR2: Sie haben gesagt, es ist unsere Aufgabe das Ganze jetzt in trockene Tücher zu bekommen. Gibt es denn etwas von Seiten der EU was, sage ich mal, von unserer Seite her noch getan werden kann?

Jean Asselborn: Also ich glaube, wir haben alles getan, was getan werden konnte. Wir sind jetzt in einer Phase, wo wir - glaube ich jedenfalls - diese Woche nur zuschauen können. Es ist ja vorgesehen, dass am Freitag noch ein drittes Votum stattfinden soll. Ob das stattfindet, weiß man nicht. Wenn es stattfindet, weiß man ja auch nicht, wie es ausgeht. Wenn diese Woche unser Deal - sagen wir mal - ausgehandelt ist, wenn der nicht votiert wird, dann sind wir ja praktisch beim 12. April schon. Das heißt, dann bleibt den Briten nur, der Europäischen Union vor dem 12. April zu sagen, wenn nicht dieser Deal was dann? Und ich glaube, dann sind wir in einer Situation, wo es eigentlich nur drei Auswege gibt: entweder "No Deal“, also kein Abkommen – was Katastrophe ist – oder "Kein Brexit", das ist das andere Extrem oder dann, das ist dann das Dritte, eben eine längere Verlängerung, dass man sagt, wir werden Neuwahlen organisieren oder ein zweites Referendum, das kann sich dann Monate vielleicht auch Jahre ziehen. Das sind die Optionen, die jetzt anstehen, aber es ist unmöglich heute zu sagen, wo wir da hinsteuern.

SWR2: Wäre es denn für die EU eine Option tatsächlich, also wenn Theresa May oder die Regierung wie auch immer, das Parlament sagt, ja Neuwahlen, ein zweites Referendum, das wäre tatsächlich eine Option zu sagen, okay die Austrittsfrist wird noch mal verschoben?

Jean Asselborn: Klar wir wollen ja auch in der Europäischen Union einen "No Deal" verhindern. Wenn die Briten den verhindern können, glaube ich, müssten wir das dann auch annehmen. Aber dann muss, das darf dann nicht sein, dass man wieder mit uns diskutieren will über diesen "Backstopp" oder solche Geschichten. Ich glaube, da gibt es nur zwei Sachen, das sind entweder Neuwahlen oder ein zweites Referendum. Wir müssen dann aber auch klar sagen, wenn es über einige Monate verlängert wird, dann muss Großbritannien an den Europa-Parlamentswahlen teilnehmen. Das ist - glaube ich - auch kein Problem, das ist eine organisatorische Frage dann für sie. Die Partizipation ist ja freiwillig und das müsste zu machen sein. Natürlich, welchen Effekt das dann in Großbritannien bekäme, das ist wieder eine andere Sache. Also alles, was am 12. April nicht klar ist und alles was über den 22. Mai hinausgeht, heißt für die Britten, dass sie Europaparlamentswahlen organisieren müssen.

SWR2: Für wie erfolgsversprechend halten Sie denn das Angebot von Frau May zurückzutreten? Glauben Sie, das könnte nochmal einen Schub bringen?

Jean Asselborn: Das ist alles ziemlich irrational. Normalerweise, ein Regierungschef tritt ja zurück, wenn er das nicht bekommt was er will. Sie sagt, ich trete zurück, wenn ich das bekomme was ich will. Das ist schon etwas komisch, aber das glaube ich, das hat alles mit dem Innenleben der Tory Partei zu tun und das ist wirklich eine Partei die, ja, die in alle Richtungen zielt und ich hoffe dann, dass das Resultat nicht ein Resultat ist, dass einer dieser verrückten Brexiteers, die wir ja kennen, dann an die Spitze dieser Partei und an der Spitze des Landes kommen.

SWR2: Theresas May hat schon gesagt, dass ihr im Grunde, sie will auf gar keinen Fall den Brexit, den harten Brexit. Bleibt ihr also im Endeffekt noch die Notbremse Artikel 50 zurückzugeben. Für wie wahrscheinlich halten Sie diese Option?

Jean Asselborn: Artikel 50 zurückzugeben, das heißt, dass man keinen Brexit macht oder was versteht Sie darunter oder was verstehen Sie darunter?

SWR2: Richtig. Also die Sache das man diesen Brexit im Grunde erst nochmal zurückgibt und dann vielleicht ihn nochmal neu einreicht?

Jean Asselborn: Ja, das ist ja die dritte Option, die ich gesagt haben. Das man Brexit jetzt zurückzieht, dass man Neuwahlen organisiert und, dass man ein zweites Referendum organisiert. Aber Sie müssen aufpassen mit dem Wort "zurückziehen“. Das kann man einmal machen. Die Briten können zu jedem Moment sagen, wir ziehen Artikel 50 also zurück, und dann ist er zurückgezogen. Dann kann man nicht sagen, wir starten wieder die Prozedur in zwei, drei Monaten. Das geht nicht. Und darum, ich glaube, dass sie nicht zurückziehen, dass wenn diese Option Neuwahlen oder zweites Referendum kommen würde, dann würde wiederum eine Verlängerung gefragt werden von Artikel 50, nicht zurückziehen, glaube ich nicht.

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