Interview von François Bausch im Luxemburger Wort

"Ich stehe zu diesem Projekt"

Interview: Luxemburger Wort (Marc Hoscheid)

Luxemburger Wort: François Bausch, worum handelt es sich bei dem Observationssatelliten LUXEOSys ganz konkret?

François Bausch: Es handelt sich um einen Satelliten, der vergleichsweise nahe über der Erde kreist und gesteuert werden kann, er fliegt an einem Tag auch mehrfach um die Erde. Er ist zur Observation gedacht und ist in der Lage ganz präzise Fotos zu schießen. Um ein Beispiel für eine mögliche Verwendung zu geben: Wenn die UNO den Verdacht hätte, dass im Iran eine Nuklearanlage zu militärischen Zwecken umgerüstet wird, könnte man den Satelliten dorthin bewegen und Bilder davon machen. Es handelt sich um ein rein öffentliches Projekt, das heißt wir stellen ihn institutionellen Partnern wie der NATO oder der UNO oder auch einzelnen Staaten zur Verfügung. Es gibt kein kommerzielles Interesse. Man kann ihn zudem im zivilen Bereich einsetzen. Beispielsweise zur Überwachung der italienischen Küste oder um landwirtschaftliche Flächen zu überblicken. Ich muss sagen, je länger ich mich mit dem Projekt beschäftige, desto interessanter finde ich es, weil ich glaube, dass es wirklich gut zu Luxemburg passt. Wir können den Satelliten vielfältig nutzen, ohne dass es etwas Offensives wäre. Es ist nicht so, dass darüber irgendwelche Waffen gesteuert werden könnten. Ich stehe zu diesem Projekt.

Luxemburger Wort: Was ist denn der Mehrwert für Luxemburg?

François Bausch: Es gibt zwar bescheidene kommerzielle Möglichkeiten, aber das ist nicht das Ziel. Das wurde dem Projekt in der Schlussphase übergestülpt, weil gemerkt wurde, dass es budgetär eng werden würde. Für Luxemburg hat es den Vorteil, dass wir einen nützlichen Beitrag im Rahmen der NATO leisten können, der zu uns passt.

Wir wollen uns in der Sahelzone engagieren, weil wir mit diesen Ländern auch in der Entwicklungszusammenarbeit eng kooperieren. Wir wollen helfen, die Gründe für Konflikte in dieser Region zu entschärfen. Mit diesem Instrument können wir international viel Renommee gewinnen.

Luxemburger Wort: Hätte man nicht ein anderes Projekt finden können, in das man das Geld im Rahmen der NATO-Verpflichtungen investiert?

François Bausch: Wir haben ja auch noch andere Projekte. Man darf nicht vergessen, dass unsere Verteidigungsausgaben zurzeit bei 0,6 Prozent unseres PIB liegen und wir haben uns zum Ziel gesetzt, bis 2023 auf 0,72 Prozent zu kommen, also sind wir noch immer weit von der Vorgabe von zwei Prozent entfernt. Darin sind mehrere Projekte eingerechnet, wie die Renovierung des Munitionsdepots in Waldhof oder der Neubau des Schießstands Bleesbruck, zwei Projekte, von denen auch die Polizei profitiert. Hinzu kommen die Hubschrauber, die noch unter Etienne Schneider bestellt und jetzt geliefert wurden, sowie die Mehr-zweck-Tank- und Transportflugzeuge (MRTT), die wir zusammen mit mehreren anderen Staaten anschaffen. Letzteres ist ein Projekt, das wir vielseitig einsetzen können. Die NATO hat sich nämlich zum Ziel gesetzt, im Falle einer zweiten Corona-Welle verstärkt aktiv zu werden. Diese Flugzeuge kann man perfekt für Krankentransporte nutzen. Wir werden auch den Militärfuhrpark teilweise erneuern. Aber selbst mit all diesen Investitionen kommen wir nur auf 0,72 Prozent, wenn wir also das Satellitenprojekt nicht realisieren, wirft uns das enorm zurück.

Luxemburger Wort: Ihrem Amtsvorgänger Etienne Schneider lag der Weltraumbereich immer besonders am Herzen. So trieb er als Wirtschaftsminister das Spacemining voran. Ist das nicht auch ein negatives Beispiel dafür was passiert, wenn ein Minister seine Ressorts nicht streng genug voneinander trennt?

François Bausch: Das ist eine Frage, die man sich stellen kann. Ich glaube aber, dass Etienne Schneider dieses Projekt im guten Glauben lanciert hat. Der Tipp kam ja aus der Wirtschaft und er hat ihn ohne Hintergedanken weitergeleitet. Trotzdem müssen wir klarere Trennungen vornehmen, was aber nicht verhindert, dass zwei Minister bei einem Projekt zusammenarbeiten. Das Hauptproblem bei diesem Projekt war nicht die Grundidee, sondern dass es zu schnell vorangetrieben und Etappen übersprungen wurden. So wurde das Gesetz bereits im März 2018 vorgelegt, aber das Gutachten erst im Mai abgeschlossen. Man hätte sich ein Jahr länger Zeit nehmen sollen.

Luxemburger Wort: Sie haben angesprochen, dass es sehr schnell ging. Manche mutmaßen, dass Schneider das Projekt noch vor den Wahlen im Oktober 2018 durchbringen wollte, weil er sich nicht sicher sein konnte, erneut Minister zu werden und sich persönliche Vorteile für die Zeit nach der Politik erhofft hat.

François Bausch: Ich will darüber nicht spekulieren. Ich möchte Dinge nur anhand von Fakten beurteilen und ich habe nichts gefunden, was gegen Etienne Schneider spricht. Als ich bemerkt habe, dass das Projekt so nicht klappt, war es mir wichtig, volle Transparenz spielen zu lassen. Die Abgeordneten werden mir zugestehen, dass ich ihnen alle Dokumente zukommen gelassen habe. Das war auch nötig, denn ich will sie von diesem Projekt überzeugen, weil ich es gut finde. Heute werden sie denn auch eine komplette Auflistung der Kosten und ein Gutachten von PWC bekommen. Ich kann jetzt schon sagen, dass das Budget um 41 Millionen Euro niedriger ausfallen wird. Ich hatte ja ein Gesetzesprojekt mit zusätzlichen 180 Millionen Euro hinterlegt, dieses Budget sinkt somit auf 139 Millionen Euro. Es ist sogar noch etwas Luft nach unten, aber aus Transparenzgründen schreibe ich eine höhere Zahl in das Projekt. Ich möchte heute von der Chamber Klarheit darüber haben, ob wir weitermachen. Wenn sie weitere Informationen will oder mir nicht glaubt, steht ihr der Rechnungshof als Instrument zur Verfügung.

Luxemburger Wort: Wäre eine Untersuchungskommission eine Option?

François Bausch: Wissen Sie, eine Untersuchungskommission richtet man ein, wenn ein Minister sich weigert Informationen zu liefern. Dabei habe ich die Chamber sogar selbst darum gebeten aktiv zu werden und das Gutachten bei PWC in Auftrag gegeben. Es gibt auch keinen strafrechtlichen Aspekt, weil niemand etwas Illegales getan hat, deswegen sehe ich keinen Grund für eine solche Kommission. Das Parlament ist aber eine unabhängige Institution und entscheidet selbst, was es tut.

Luxemburger Wort: Sie haben gesagt, dass Sie heute von den Abgeordneten Klarheit wollen, warum diese Eile?

François Bausch: Ich möchte die Chamber nicht unter Druck setzen, aber wir müssen gewisse Termine einhalten. Ich brauche das zusätzliche Finanzierungsgesetz spätestens bis November. Ich habe auch ausrechnen lassen, was es uns kostet, wenn wir das Projekt jetzt stoppen: Dann haben wir 145 von ursprünglich 170 Millionen Euro verbraten und haben nichts. Wir würden zudem international enorm an Renommee verlieren. Wenn wir jetzt noch einmal 139 Millionen Euro drauflegen, ist dieses Geld nicht verloren, sondern das ist eben der Preis. Es stimmt übrigens auch nicht, dass die Errichtung der Antennen im belgischen Redu statt auf. dem Herrenberg zu hohen Mehrkosten führt. Es kostet zwei Millionen Euro, dabei muss man wissen, dass die Kosten der Errichtung einer solchen Anlage auf dem Herrenberg nicht im Projekt enthalten sind, einzig die Lieferung der Antennen ist vorgesehen. Ich plädiere dafür, dass wir aus Transparenzgründen in Zukunft auch bei Gesetzesprojekten des Verteidigungsministeriums alle Kostenpunkte in einem Text bündeln.

Luxemburger Wort: Anfangs sollte LuxGovSat den Satelliten betreiben, doch dann gab es ein Umdenken und die Firma ist heute nicht mehr interessiert. Wie kann man das erklären?

François Bausch: Wir haben eine schriftliche Erklärung von LuxGovSat erhalten, in der es heißt, dass sie nicht in der Lage sind, es zu tun. Außerdem wollten sie SES, einem ihrer Aktionäre, keine Konkurrenz machen und sich voll auf ihren Kernbereich der Satellitenkommunikation konzentrieren. Ich frage mich natürlich, wie es möglich sein kann, dass das vorher anders war. Aber das ist mir jetzt egal, ich schaue nach vorne und wir werden das Projekt jetzt öffentlich ausschreiben. Da kann sich jeder melden, auch LuxGovSat, wenn sie es sich noch einmal anders überlegen sollten.

Luxemburger Wort: Hat der Sinneswandel vielleicht etwas mit dem Wechsel im Verwaltungsrat bei LuxGovSat, weg vom früheren Direktor der Défense Patrick Heck hin zum heutigen Luxair-Präsidenten Gilles Feith, zu tun?

François Bausch: Weder Herr Heck noch Herr Feith waren Präsident der Firma, sondern jeweils einfaches Mitglied im Verwaltungsrat. Diese Entscheidung hat nicht Herr Feith getroffen. Das Dokument, das uns vorliegt, wurde uns von Patrick Biewer geschickt. Herr Biewer wird ja noch in die Budgetkontrollkommission gerufen und kann das dann selbst bestätigen.

Luxemburger Wort: Sie sagen, dass die Armee gar nicht in der Lage ist, den Satelliten zu betreiben, verkaufen Sie sie damit nicht ein Stück weit unter Wert? Andere Länder kriegen es doch auch hin.

François Bausch: Hier geht es nicht nur um 25 Soldaten. Die Kosten für den Betrieb werden im Gesetz mit 73,7 Millionen Euro angegeben. Diese Summe umfasst neben den Soldaten auch die benötigten Infrastrukturen. Hier wurde gesagt, die würden über den Fonds d'équipement militaire finanziert, aber da standen sie nicht. drin. Ich fände das auch nicht richtig, denn sie gehören zum Projekt und sollten auch dort verbucht werden. Mittel- bis langfristig will ich, dass die Einheit, die Bestellungen aufnimmt und Verträge abschließt, in Luxemburg angesiedelt wird, aber kurzfristig ist das nicht möglich. Herr Schneider sagt, und darüber wundere ich mich, dass die Rekrutierung für das benötigte Personal 2022 hätte anlaufen sollen. Das System muss aber schon 2023 in Betrieb sein. Wenn ich weiß, dass diese Personen, falls man überhaupt 25 findet, einen einjährigen Militärdienst absolvieren und dann noch einmal mindestens sechs Monate spezifisch ausgebildet werden müssen, dann geht die Rechnung nicht auf. Das wurde nicht seriös analysiert.

Luxemburger Wort: Sie haben sich in Bezug auf den Satelliten immer gegen das Attribut "militärisch` gewehrt. Ist das ein Stück weit darauf zurückzuführen, dass Sie als Grüner prinzipiell mit der Armee fremdeln?

François Bausch: Nein, wirklich nicht. Für mich ist die Verteidigung eine noble Aufgabe. Verteidigung bedeutet Werte wie Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit zu verteidigen. Ich habe ein Problem, wenn es nicht mehr darum geht, sondern aggressive offensive Militärpolitik betrieben wird, um andere Territorien zu besetzen. Ich wünsche mir natürlich, dass die Menschen irgendwann so klug sein werden, sich gegenseitig so sehr zu respektieren, dass keine Verteidigung mehr benötigt wird, aber da sind wir heute noch nicht. Vor diesem Hintergrund finde ich die aktuelle Berechnung des Zwei-Prozent-Ziels der NATO absurd, weil es nur um Aufrüstung geht. Der wichtigste Aspekt von Verteidigungspolitik ist in meinen Augen aber die Konfliktprävention. Die beste Armee ist die, die nie schießen muss und nur dazu da ist, um dafür zu sorgen, dass die Kirche im Dorf bleibt. Vor einem Jahr haben wir in der Armee in Zusammenarbeit mit Erny Gillen einen Diskussionsprozess lanciert, bei dem es um Deontologie und Ethik geht. Am Ende soll eine Charta ausgearbeitet und ein Offizier für ethische Fragen zuständig sein.

Luxemburger Wort: Im rezenten Politmonitor hat Ihre Partei an Zustimmung verloren, worauf führen Sie das zurück?

François Bausch: Es gibt mehrere Gründe. Es ist natürlich so, dass wir in der Corona-Krise weniger sichtbar waren, obwohl wir genauso viel gearbeitet haben wie der Premier oder die Gesundheitsministerin. Als Minister für innere Sicherheit habe ich zudem in gewisser Weise die Rolle des Bad Cop gespielt, weil ich für die Einhaltung der Regeln sorgen musste, was nicht bei jedem gut ankam, aber das gehört dazu. Sorgen mache ich mir, weil wir uns selbst einige Bananenschalen vor die Füße geschmissen haben und dann darauf ausgerutscht sind. Wir haben das aber selbstkritisch analysiert und als einzige Partei in Luxemburg einen Generationswechsel hinbekommen, sogar aus der Regierung heraus.

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